Wer war Johann Friedrich Naumann? Wir folgen den Spuren eines beeindruckenden Ornithologen, der außerdem zu den Gründern der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft gehörte.
Als der Ornithologe Johann Friedrich Naumann (1780-1857) Besuch von seinem englischen Kollegen John Gould bekam, prießen die Zeitungen diesen als den „größten Ornithologen Europas“ an. Naumanns Freunde zeigten sich empört und betonten, dass dieser Titel eigentlich ihm gebühre. Naumann antwortete: „Ach, ich Armer; ich bin zufrieden, wenn man mir einen Platz im Parterre gestattet.“
Ein vergessenes Genie
Ob es an dieser großen Bescheidenheit Naumanns liegt, dass er heute kaum noch bekannt ist? Immerhin hatte er zu Lebzeiten doch einige Lorbeeren gesammelt. Die Universität Breslau verlieh ihm den Ehrendoktor, Goethe lobte seine sprachliche Ausdrucksweise und der Herzog ernannte ihn zum Professor. Dass Naumann den Rötelfalken entdeckt hat, spiegelt sich in dessen wissenschaftlichem Namen wieder (Falco naumanni) und die Zeitschrift der Ornithologischen Vereinigung erhielt den Namen Naumannia.
All dieser Ruhm wurde Naumann zuteil, weil er letztendlich die mitteleuropäische Vogelkunde begründete. Schon sein Vater war leidenschaftlich an der Ornithologie interessiert und der kleine Johann Friedrich zeichnete schon im Alter von neun Jahren hervorragend Vögel. Aus der gemeinsamen Forschung von Vater und Sohn entstand das zwölfbändige Mammutwerk „Naturgeschichte der Vögel Deutschlands“. 25 weitere Jahre harter Arbeit führten zu „Die Vögel Mitteleuropas“. Auch seine äußerst präzisen Kupferstiche fertigte Naumann eigenständig an. Und nicht zuletzt hatte er nebenbei noch das Familiengut zu führen, er veredelte Obstbäume, legte ein Herbarium an, sammelte Schmetterlinge und präparierte Vögel – ein Workaholic des 17. Jahrhunderts.
Trotz all seiner Mühen gelangte Johann Friedrich Naumann nie zu großem Reichtum, was ihn auch an größeren Forschungsreisen hinderte. Umso größer war sicher die Freude, als der Herzog seine Sammlung ausgestopfter Vögel erwarb. Diese ist heute im Rahmen einer allgemeinen Ausstellung über Naumann im Köthener Schloss zu besichtigen. Ein Ausflugsziel, welches wir euch hiermit warm ans Herz legen!
Ein Meilenstein der Vogelforschung: Die Deutsche Ornithologen-Gesellschaft
Auch wenn er heute nicht mehr zu den bekannten Namen in der Birdwatcher-Szene gehört: Naumann gelang es mit seinen Werken, die deutschen Vogelkundler zu vereinen. Gemeinsam mit Eduard Baldamus und Eugen F. von Homeyer gründete er 1850 die Deutsche Ornithologen-Gesellschaft. Sie ist somit eine der ältesten wissenschaftlichen Vereinigungen weltweit! Während Charles Darwin fieberhaft an seinem berühmten Buch über die Entstehung der Arten arbeitete, diskutierten in Köthen bereits deutsche Ornithologen über dieses Thema. Manche der damaligen Fragestellungen beschäftigen uns bis heute. Auch so manche Voraussage der ersten Mitglieder wird aktuell zur traurigen Wirklichkeit. Schon beim zweiten Treffen warnt Naumann vor der Förderung des Ackerbaus, da diese den Vögeln schaden könne.
Natürlich konnten in den Anfangsjahren der DO-G nicht so viele Vogelkundler aufeinandertreffen wie heute. Bis Ende des Ersten Weltkrieges lag die Teilnehmerzahl an den Jahresversammlungen stets unter 100. Schließlich konnte man noch nicht ins Auto steigen und zu den Treffpunkten fahren; außerdem war es nur den wohlhabenden Mitgliedern möglich, so eine Reise zu finanzieren.
Mittlerweile zählt die DO-G aber stolze 2.000 Mitglieder. Die Jahrestreffen bilden einen lebhaften Treffpunkt für Ornithologen aller Länder und jeder, der sich wissenschaftlich für die „schönen Luftbewohner“ interessiert, kann Mitglied werden. Die Gesellschaft bringt außerdem die Zeitschrift „Journal of Ornithology“ heraus, fördert den Vogelschutz und zeichnet wissenschaftliche Arbeiten aus.
Die nächste Jahresversammlung findet vom 19.09. bis zum 23.09. 2018 in Heidelberg statt. Und wenn Johann Friedrich Naumann um die Weiterführung seiner Leidenschaft wüsste, wäre er sicher zufrieden.
Foto: Naumann, Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas. 3. Aufl. Neubearb. von G. Berg et al. Hrsg. von Carl R. Hennicke. (Lizenz: public domain)