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Vogelwelt

Wenn Aasfresser vergiftet werden: Gefahren für Geier

Wenn Aasfresser vergiftet werden: Gefahren für Geier

Die Gefahren für Geier sind vielfältig. Vor allem Gifte, die in verschiedenen Formen auftreten können, bedrohen die nützlichen Aasfresser.

Noch vor 30 Jahren wimmelte es in Indien nur so von Geiern. Arten wie Weißrücken- und Langschnabelgeier oder der Bengalgeier (damals die häufigste Geierart der Welt) befreiten die Menschen auf natürliche Weise von Aas. Gleichzeitig vernichteten sie viele Krankheitserreger und fungierten, wie für Geier üblich, als geflügelte Gesundheitspolizei.

Gefahren für Geier: Diclofenac

Mit der Einführung des Veterinärmedikaments Diclofenac in Indien war für die Geier nichts mehr wie vorher. Das Medikament wird bei Rindern als Schmerzmittel eingesetzt. Frisst aber ein Geier von einer Kuh, die zuvor mit Diclofenac behandelt wurde, stirbt er innerhalb der nächsten 40 Stunden. Das Arzneimittel bleibt nämlich extrem lang (etwa 12 Stunden) im Körper und verursacht bei den Vögeln akutes Nierenversagen. Vorher verhalten sie sich extrem kraftlos, lassen den Kopf nach unten hängen und fallen oft buchstäblich von ihren Sitzplätzen, weil sie sich nicht mehr halten können.

Diesen grausamen Todeskampf mussten 99,9 Prozent aller Bengalgeier erleiden, bevor man überhaupt ein Zusammenhang zwischen Diclofenac und dem Geiersterben erkannte. Es war der schnellste Bestandsrückgang, der je über eine Vogelart hereinbrach. Auch Langschnabel- und Schmalschnabelgeier gerieten schnell an den Rand des Aussterbens.

Eine Lücke im Ökosystem

Die Folge: Indiens Geier verloren ihren Platz im Ökosystem. Dadurch konnten sich Ratten und streundende Hunde massenhaft vermehren. Sie entfernen aber natürlich nicht so viele Kadaver wie die Greifvögel. Ein einziger Geier erledigt in Indien pro Jahr „Arbeit“ im Wert von ungefähr 9.200 Euro. Dieses Geld muss nun tatsächlich ausgegeben werden, zum Beispiel für den Neubau von Krematorien. Und auch die Gefahr von Tollwutinfektionen in Indien stieg durch die vielen Ratten und Hunde noch weiter an. Etwa 20.000 Menschen sterben dort jedes Jahr an der Krankheit. Eine normale Anzahl von Geiern würde auf jeden Fall dazu beitragen, diese Gefahr in Schach zu halten.

In Indien (sowie Nepal, Pakistan und Bangladesch) ist das Medikament mittlerweile verboten. Trotzdem lassen fünf europäische Staaten die Benutzung weiterhin zu – darunter auch Spanien. Dort leben aber 95 Prozent aller europäischen Geier. Es bleibt also nur zu hoffen, dass Europa nicht die nächste Geierkatastrophe bevorsteht.

Diclofenac richtet sich zwar nicht direkt gegen die Geier, wirkt aber dennoch tödlich. Genau so ist es mit Bleimunition. Wenn ein Geier die Eingeweide von erlegtem Wild frisst, nimmt er oft Blei in seinen Körper auf. Das führt zu schweren Vergiftungen und schließlich zum Tod.

Gefahren für Geier: Pestizide

Besonders hinterhältig werden Geier mit extra ausgelegten Giftködern ermordet. Menschen versetzen diese Kadaver (zum Beispiel tote Kaninchen) bewusst mit Giftstoffen, die in vielen Teilen Europas verwendet werden. Sie wirken, sobald der Vogel sie aufgenommen hat, manchmal sogar noch vor dem Schlucken. Besonders fatal: Die Gifte zerfallen danach sehr schnell. Das bedeutet, dass der Tierarzt die Todesursache oft nicht mehr feststellen kann. Vergiftete Vögel erbrechen sich häufig noch, bevor sie sterben, so dass sich kein Nachweis mehr in ihrem Magen befindet. Wird auch der hochgewürgte Köder nicht untersucht, gibt es am Ende keinen Beweis für den Einsatz von Gift.

Es mangelt an dieser Stelle sehr an Fachleuten. Sie könnten eine sorgfältige Analyse aller gefundenen Proben durchführen und so vielleicht doch noch den entscheidenden Beweis finden. Die Geier und alle, die sich um sie sorgen, verdienen es, dass die Täter vor Gericht gestellt werden. Schließlich stirbt mit einem Altvogel meist auch sein Nachwuchs, so dass letztendlich fast eine ganze Familie ausgelöscht wird.

Foto: Bernard DUPONT (Lizenz: CC BY-SA 2.0)

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