Die Nilgans stammt aus Afrika, breitet sich aber nach und nach auch in Europa aus. Manche sehen darin eine Gefahr für die heimische Vogelwelt.
Neozoon mit Augenfleck
Schon ab dem 17. Jahrhundert hielten Menschen Nilgänse in Parks und Zoos, vorwiegend in Großbritannien. Kein Wunder, sind sie mit ihren langen Beinen und dem dunklen Augenfleck doch ein bemerkenswerter Anblick. Mit dem 18. Jahrhundert traten auch freifliegende Nilgänse auf, die sich in die Niederlande und von dort auch südwärts am Rhein entlang ausbreiteten. Ab 1986 kam es zu ersten Bruten in Nordrhein-Westfalen. Der deutsche Brutbestand wird heute auf etwa 1.500 Paare geschätzt. Viele Menschen betrachten das langbeinige Neozoon (mit menschlicher Hilfe angesiedelte Art) eher skeptisch. Schließlich läuft die Ausbreitung einer neuen Art in einem Ökosystem nicht immer reibungslos ab. Die Pazifische Auster beispielsweise hat in der Nordsee bereits die heimische Auster verdrängt. Und der Europäische Flusskrebs ist durch den Amerikanischen Signalkrebs, der sich in seinem Lebensraum ausbreitet, vom Aussterben bedroht.
Um solche Entwicklungen einzudämmen, beurteilt die EU gebietsfremde Arten zunächst, um herauszufinden, wie invasiv (lat. Invadere, „einfallen, eindringen“) eine Art ist und wie viel Schaden sie anrichtet. Auf der so genannten „Unionsliste“ potentiell invasiver Arten landete 2017 erstmals auch die Nilgans. Das bedeutet, dass die deutschen Bundesländer nun gemeinsam einen Managementplan zum Umgang mit den Vögeln erstellen müssen. Aber ist die Nilgans wirklich eine so große Gefahr für unser Ökosystem?
Viele sagen der Nilgans nach, sie würde sich besonders aggressiv verhalten und damit andere (heimische) Vögel aus ihrem Lebensraum verdrängen. Nach Angaben des NABU lässt sich diese Wirkung allerdings bisher nicht belegen. Neuste Untersuchungen zeigen eher, dass sich die Nilgänse in neuen Gebieten ansiedeln, ohne größeren Schaden anzurichten.
Aggressiver als andere Arten?
Zur Aggressivität kann gesagt werden, dass die Nilgans sich nicht aggressiver verhält als andere Wasservögel auch. Gänse wirken grundsätzlich aktiver und aggressiver als Enten – nicht zu vergessen, dass sie schlicht größer und ruffreudiger sind. Drohgebärden und Kampfhandlungen wie Beißen oder Hacken treten zum Beispiel auf, wenn Nahrungskonkurrenz besteht oder Jungvögel in Gefahr sind. Besonders wenn die Eltern mit ihren Jungen unterwegs sind, sind sie extrem wachsam. Einen Konflikt riskieren sie dann zwar sehr ungern, aber wenn es dazu kommt, fällt die Reaktion umso heftiger aus. Das ist aber völlig normal und nicht nur auf die Nilgans beschränkt. Wer schon mal die Wut eines Höckerschwans auf sich gezogen hat, wird das bestätigen können. Wie in den meisten Fällen geht es hier um Achtsamkeit und ein geregeltes Zusammenleben. Werden die Gänse nicht vom Menschen provoziert, läuft im Normalfall auch nichts aus dem Ruder.
Die Aggressivität gegenüber anderen Vögeln ist auch sehr von der Größe des Gewässers abhängig. An natürlichen Flüssen und Seen gibt es mehr Platz und Rückzugsmöglichkeiten, so dass sich Nilgänse dort eher defensiv verhalten. An kleineren Stadtgewässern aber gibt es deutlich weniger Platz bei einer meist hohen Anzahl von Vögeln. Schließlich gibt es hier Essensreste und fütternde Passanten, so dass auch der Konkurrenzdruck höher ist.
Jagd ist keine Lösung
Die Jagd auf Nilgänse ist derzeit in neun deutschen Bundesländern erlaubt. Schätzungen zufolge werden pro Jahr etwa 15.000 bis 20.000 Gänse geschossen; auf die Gesamtverbreitung der Art hat das jedoch nur einen geringen Einfluss. Die reguläre Jagd eignet sich ohnehin nicht, um den Bestand zu kontrollieren. Schließlich sind Jäger verpflichtet, die Jagd so zu gestalten, dass sie sich nicht negativ auf den Gesamtbestand einer Art auswirkt. Um Nilgänse von öffentlichen Grünflächen (wie in Parks und Freibädern) fernzuhalten, ist etwas Erfindergeist gefragt. Zu den üblichen Maßnahmen gehören ein Fütterungsverbot sowie Sichtbarrieren und Gänsezäune. Aus Angst vor Feinden nutzen die Tiere nämlich keine Flächen, die ihnen den direkten Fluchtweg zum Wasser versperren.
Die Nilgans ist bereits dabei, sich in die deutsche Vogelwelt zu integrieren. Bisher gibt es noch nicht genug Studien und Erkenntnisse über die Folgen dieser Entwicklung. Es gilt also, den Neuankömmling aufmerksam zu beobachten – Vorurteile helfen jedoch wenig.
1 Comment
Guten Tag Herr Baumann,
danke für Ihren Kommentar. Die Kollegin Alexandra Huth hat in diesem Artikel unserer Meinung nach gut dargestellt, wie kontrovers das Thema investiver Arten diskutiert werden kann. Mittlerweile schätzen Experten, dass es rund 8000 Brutpaare in Deutschland gibt. Es scheint sich jedoch eine Bestandssättigung einzustellen (siehe dafür https://neobiota.naturschutzinformationen-nrw.de/site/nav3/ArtInfo.aspx?Art=Tiere&ID=2624bc42-ff2c-49e2-8af4-1171380e6931)
Zur Aggressivität der Nilgans anderen Arten gegenüber und den Auswirkungen, von denen Sie geschrieben haben, hat der NABU einen interessanten Artikel veröffentlicht: https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/artenschutz/gaense/25852.html
Vielleicht kann dieser Ihnen einige Fragen beantworten.
Wir hoffen, dass wir Ihnen damit ein wenig weiterhelfen konnten. Mit freundlichen Grüßen, die Redaktion von Vogel & Natur.