Jedes Lebewesen auf der Erde, sei es Pflanze oder Tier, durchläuft mit der Zeit einen Lebenszyklus. Dieser Zyklus besteht aus unterschiedlichen Lebensphasen, die eng aufeinander abgestimmt sind. Die Lebensphasen der Vögel hängen stark von äußeren Faktoren ab: Ändern sich diese, kann der Zyklus aus dem Gleichgewicht geraten.
Ein steter Kreislauf
Jedes Jahr aufs Neue durchlaufen Vögel einen Kreislauf: Sie suchen sich ein Brutgebiet, ziehen ihre Jungen auf, verlassen das Brutgebiet und Überwintern. Dabei hat jede Vogelart ihren eigenen „Terminkalender“. Während Eulen beispielsweise schon Ende des Jahres ihr Brutrevier aufsuchen, kommen Mauersegler erst im Mai zurück aus ihrem Überwinterungsgebiet. Die Vögel verfügen über eine „innere Uhr“, anhand der sie von Lebensphase zu Lebensphase wechseln. Äußere Bedingungen wie die Tageslänge, die Temperatur und der Vegetationsstand beeinflussen diese Entscheidungen.
Lebensphase 1: Der Heimzug aus dem Winterquartier
Zugvögel wissen genau, wann es für sie Zeit wird aus dem südlichen Winterquartier zurück nach Norden zu ziehen. Fliegen sie zu früh, könnte sie ein Kälteeinbruch überraschen. Erfolgt die Heimreise zu spät, sind die Brutplätze schon von der Konkurrenz belegt. Auch die Standvögel müssen vom Überwinterungs-Modus in den Balz-Modus schalten. Wer den Start verschläft, bekommt unter Umständen keine Partnerin mehr ab.
Lebensphase 2: Die Aufzucht der Jungen
Nach der Balz und der Fortpflanzung ziehen die Elternvögel den Nachwuchs groß. Bei einigen Arten wechseln sich Weibchen und Männchen ab, in den meisten Fällen kümmert sich jedoch das Weibchen um die Brut. Auch hier spielt der Zeitpunkt der Brut eine große Rolle: Schlüpfen die Küken zu spät, finden die Vogeleltern nicht mehr ausreichend Nahrung für den Nachwuchs.
Lebensphase 3: Das Verlassen des Brutgebietes
Sind die Jungvögel flügge geworden, verlassen sie den Brutplatz. Standvögel suchen sich einen passenden Lebensraum, während Zugvögel den langen Weg Richtung Süden antreten. Sie müssen dabei fit genug für die Strecke sein, und dürfen gleichzeitig nicht zu spät ankommen, um sich ein Revier zu suchen. Der Zeitpunkt des Gebietswechsels hängt stark von den Temperaturen und dem Nahrungsangebot ab.
Lebensphase 4: Die Überwinterung
Für den Winter müssen sich Standvögel gut vorbereiten. Sie fressen sich Fettreserven an, die sie mit den wenigen vorhandenen Nahrungsquellen von zeit zu Zeit auffüllen. Die meisten Arten suchen sich einen Platz, an dem sie geschützt sind und wo sie ihren Energieverbrauch auf ein Minimum reduzieren können.
Die Vögel im Winterquartier haben weniger Probleme mit dem Nahrungsangebot. Dafür ist die Konkurrenz zu den heimischen Vögeln ein Faktor, der ihren Aufenthalt im Süden bestimmt. Wenn die „innere Uhr“ klingelt, machen sie sich erneut in ihr Brutgebiet auf.
Der Einfluss des Klimawandels auf die Lebensphasen
Forscher haben in den vergangenen Jahren vermehrt beobachtet, wie sich das Zug- und Brutverhalten der Vögel verändert. Ursache dafür sind hauptsächlich die Auswirkungen des Klimawandels: höhere Temperaturen, verschobene Vegetationszeiten und ein verändertes Nahrungsangebot sind einige der Faktoren. Verschiebt sich eine der Lebensphasen der Vögel um nur wenige Tage, kann dies gravierende Auswirkungen haben: Die Brut fällt aus, Tiere finden nicht ausreichend Nahrung und die Bestände nehmen dramatisch ab. Vor allem Vögel aus extremen klimatischen Regionen, wie beispielsweise der Knutt in der Arktis, leiden unter der Erderwärmung. Andere Arten, wie die Weißwangengans, beginnen bereits ihr Zugverhalten anzupassen. Den zunehmenden Folgen des Klimawandels werden sie langfristig jedoch nicht entgehen können.