Vögel unterscheiden sich nicht nur durch Körperform, Größe und Gefiederfarbe, sondern auch durch ihre Schnäbel. Unter den mehr als 10.000 verschiedenen Vogelarten existiert eine beachtliche Vielfalt an Schnabelformen, die viel über die jeweilige Lebensweise der Vögel aussagen kann. In diesem Beitrag erfahrt ihr, welche unterschiedlichen Schnabelformen es gibt und wie sie sich voneinander unterscheiden.
Aufbau des Schnabels
Um gut fliegen zu können, brauchen Vögel ein möglichst geringes Körpergewicht. Neben einer leistungsstarken Atmung, einer kräftigen Flugmuskulatur und einer schnellen Verdauung verfügen Vögel daher auch über ein extrem leichtes Skelett aus Röhrenknochen. Auch der Schnabel, im Vergleich zu den Kieferknochen von Säugetieren, ist ebenso außerordentlich leicht und dennoch äußerst stabil.
So verschieden die Schnäbel der Vögel letztlich sind: Im Grundaufbau ist der Schnabel bei allen Vogelarten gleich: Er besteht aus einem Ober- und einem Unterschnabel, die beide mit einer Hornsubstanz überzogen sind. Diese nutzt sich – vergleichbar mit unseren Fingernägeln – durch die individuelle Beanspruchung der Vögel ab und wächst wieder nach. Nicht artgerechte Haltung und Fütterung können schnell zu mangelnden Abrieb und damit zu Verformungen der Schnäbel führen und die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen oder sogar verhindern.
Obwohl Vögel ihre Nahrung im Allgemeinen nicht kauen, sondern sie direkt herunterschlucken, haben sie in der Regel keine oder kaum Zähne. Nur Säger verfügen über eine zahnartige Leiste.
Schnabel als individuelles Werkzeug
Der Schnabel diente daher vor allem als hochspezialisiertes Werkzeug zur Nahrungsaufnahme. Aufgrund der vielfältigen Nahrung der Vögel variiert der Einsatz ihres Schnabels erheblich: Einige Vögel fangen, reißen und zerteilen damit ihre Beute. Andere hacken damit beispielsweise Schalen auf oder knacken Knochen. Wieder andere nutzen ihren Schnabel, um Insekten aufzuspüren, Nektar aus Blüten zu saugen oder Nahrung aus dem Wasser zu filtern. Neben der Nahrungsaufnahme dient der Schnabel auch zur Pflege des Gefieders, zur Verteidigung gegen Feinde, zum Nestbau und bei einigen Vogelarten auch zum Balzen.
Verschiedene Schnabelformen als Anpassung an den Lebensraum
Im Laufe der Evolution hat sich so eine beeindruckende Vielfalt an Schnabelformen entwickelt. In diesem Abschnitt findet ihr eine Auswahl von Schnabelformen bei Vögeln, die euch verraten, wie sich ihre Träger ernähren und wie sie ihren Schnabel darüber hinaus einsetzen.
Der Pinzettenschnabel
Der Pinzettenschnabel ist spitz und über die gesamte Länge schmal. In Form und Funktion ähnelt er daher einer Pinzette. Die Länge kann dabei variieren. Mit dem Pinzettenschnabel lassen sich sowohl Früchte, wie Beeren und Rosinen, als auch Insekten, wie Mehlwürmer, Bienen und Libellen, aufsammeln, aufspießen und verspeisen. Vertreter sind u.a. Drosseln, Zaunkönige, Rotkehlchen, Stare, Heckenbraunellen, Kleiber, Baumläufer und Spechte.
Der Kegelschnabel
Der Kegelschnabel ist an der Basis breit und läuft nach vorn spitz zu. Diese konische Form macht ihn kompakt, robust und kräftig. Körnerfresser sind damit ideal ausgestattet, um Sonnenblumenkerne, Buchweizen, Lein- und Hanfsamen, Mohn und Haferflocken zu zerteilen. Zu ihnen gehören u. a. Meisen, Sperlinge, Gimpel, Stieglitze, Kernbeißer, Zeisige, Buch- und Grünfinken.
Der Säge-Schnabel
Der Säge-Schnabel ist bei der Vogelgattung der Säger aus der Familie der Entenvögel zu finden. Um die glitschige Beute sicher fangen zu können, haben sie an der Innenseite eine Reihe kleiner Widerhaken. Diese verhaken sich in den Schuppen und sorgen für einen sicheren Halt. Ein Beispiel eines solchen Schnabels ist beispielsweise der Säger, der zur Familie der Enten gehört.
Hakenschnabel
Greifvögel, wie Adler, Bussarde, Falken und Eulen, fangen ihre Beute mit den Krallen, benutzen den Schnabel zum groben Zerteilen und manchmal auch zum Erledigen ihrer Beute. Daher ist der Oberschnabel deutlich länger als der Unterschnabel und krümmt sich um diesen zu einem Haken. Scharfe Schnabelkanten perfektionieren das Werkzeug. Auch Papageien besitzen einen Hakenschnabel. Mit ihm knacken sie hingegen Samenkörner und Nüsse.
Der Löffelschnabel
Der Löffelschnabel findet sich bei zahlreichen entenartigen Vögeln, wie zum Beispiel Enten und Gänsen. Der Schnabel ist flach, breit und vorn abgerundet. An seinen seitlichen Rändern besitzt er Lamellen, die als Filter genutzt werden. Der Vogel nimmt mit leicht geöffneten Schnabel Wasser auf und presst es seitlich wieder aus. Dabei bleiben feine Nahrungsbestandteile an den Lamellen haften, die dann geschluckt werden. Das nennt man „Gründeln“.
Der Filtrierschnabel
Der Filterschnabel ermöglicht es dem Flamingo, Nahrung aus dem Wasser aufzunehmen. Dabei senkt er den Kopf so ab, dass sich der Oberschnabel knapp unter der Wasseroberfläche befindet. Der Unterschnabel ist so konstruiert, dass er dem Wasser Auftrieb verleiht und es nach außen presst. Dank feiner lamellenartiger Strukturen am Schnabelrand filtert er Algen und kleine Futtertiere aus dem Wasser.
Der Röhrenschnabel
Der Röhrenschnabel ist die charakteristische Schnabelform der Kolibris und Nektarvögel. Sie haben sich darauf spezialisiert, mit ihrem Schnabel den Nektar aus den Blüten zu saugen. Der Schnabel ist dünn und je nach Art gerade oder leicht nach unten gebogen.
Der Stocherschabel
Der Stocherschnabel ist bei Vögeln verbreitet, die im Watt, in Schlickflächen oder flachen Gewässern ihre Nahrung suchen. Mit ihrem schmalen, spitzen und relativ langen Schnabel können sie sehr gut im feuchten Boden stochern und dort nach kleinen Beutetieren suchen. Der Schnabel dient dabei als Pinzette und ist an der Spitze sehr empfindlich. Das erleichtert das Auffinden der Beute enorm.
Der Kescherschnabel
Pelikane haben einen Kescherschnabel, der den Vorteil bietet, dass sie nicht nach einzelnen Fischen jagen müssen. Obwohl sie täglich eine große Menge an Nahrung benötigen, öffnen sie ihren großen, stark dehnbaren Kehlsack unter Wasser blitzschnell und saugen eine große Menge Wasser inklusive der Fische ein. Über der Wasseroberfläche fließt das Wasser wieder ab, und die Beute bleibt im Kehlsack zurück. Pelikane besitzen an den Innenrändern ihres Schnabels kleine Widerhaken, mit denen sie den Fisch besser festhalten können.
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