Jungvogel gefunden – was nun?

Im Spätsommer, nachdem viele Brutpaare mit der Aufzucht ihrer Jungen begonnen haben, kann es vorkommen, dass man einen Jungvogel alleine oder verletzt vorfindet. Viele wissen nicht, wie sie in solch einer Situation reagieren sollen. Erfahrt hier, wie ihr den Jungvögeln bestmöglich helfen könnt.

Erster Schritt: Situation richtig einschätzen

Oft werden Jungvögel fälschlicherweise für verwaist gehalten und mit nach Hause genommen. Dabei ist die Aufzucht von Jungvögeln durch Menschen sehr kompliziert und nur im Notfall zu empfehlen. In vielen Fällen handelt es sich nicht mal um einen von seinen Eltern zurückgelassen Vogel. Oft sind die Eltern nur auf Futtersuche oder der Jungvogel unternimmt erste Flugversuche außerhalb des Nestes. Deshalb ist es wichtig, die Situation richtig einzuschätzen, um herauszufinden, ob der gefundene Jungvogel wirklich auf menschliche Hilfe angewiesen ist. Im Folgenden erfahrt ihr, wie ihr in konkreten Situationen handeln könnt.

Nackter Jungvogel aus dem Nest

Es kann durchaus vorkommen, dass Vogelbeobachter oder Spaziergänger einen Nestling finden, der aus dem Nest gefallen ist. Der nackte Jungvogel ist dabei hilflos und benötigt unbedingt Wärme und Fürsorge. Wenn ihr einen Nestling gefunden habt, solltet ihr im besten Fall nach dem Nest suchen und den kleinen Vogel zurücksetzen. Entgegen der weit verbreiteten Annahme nehmen Vogeleltern ihre Jungen nämlich auch dann an, wenn sie von Menschen berührt wurden. Nur wenn das Nest zerstört ist und/oder die Eltern des Jungvogels offensichtlich verstorben sind, solltet ihr einen Nestling mit nach Hause nehmen und eine Auffangstation kontaktieren.

Einen Jungvogel selbst großzuziehen bedarf viel Wissen, Erfahrung und Sorgfalt. Falls ihr den Vogel aber für einige Tage versorgen müsst oder eine Auffangstation unerreichbar ist, könnt ihr den Vogel alle halbe Stunde mit Insekten füttern. Dafür sind am besten Fliegen geeignet. So kann der Vogel auch genug Wasser durch die Nahrung aufnehmen. Wasser sollte dem Jungvogel niemals direkt über den Schnabel zugeführt werden, das endet in vielen Fällen tödlich. Die Kleinen können sich schnell verschlucken und das Wasser in der Lunge kann dann zu einer Lungenentzündung führen. Generell solltet ihr den Jungvogel wirklich nur so lange bei euch behalten, bis ein Arzt oder eine Auffangstation ihn sich näher ansehen kann.

Kleiner Vogel ohne Aufsicht gefunden

Ein kleiner, bereits vollständig befiederter Vogel, der selbstständig auf einem Ast sitzt oder auf dem Boden herumhüpft, ist in der Regel ein Ästling. Häufig wird von Beobachtern vermutet, dass der Jungvogel von seinen Eltern verlassen worden ist. Das ist aber oft nicht der Fall. Hat der Jungvögel nämlich die erste Phase als Nestling überstanden, müssen die Tiere zunächst das Fliegen erlernen. Gerade in den ersten Tagen kann das herausfordernd werden und viele Jungvögel schaffen am Anfang nur kurze Strecken. Auf einem Ast gelandet, warten Sie dort, bis sie wieder von ihren Eltern gefüttert werden. Ein Jungvogel ohne Aufsicht ist also keine Seltenheit.

Wenn ihr dennoch vermutet, dass der Vogel verwaist ist, könnt ihr den Vogel über eine Zeitspanne von zwei Stunden aus einer möglichst großen Entfernung beobachten – am besten mit dem Fernglas. Innerhalb dieser Zeit sollte, wenn der Jungvogel ruft, ein Elterntier auftauchen, um den Vogel zu füttern. Geschieht dies nicht, ist der kleine Vogel vermutlich verwaist und benötigt eure Hilfe. Auch hier empfiehlt es sich, eine Auffangstation aufzusuchen.

Wenn ihr einen Jungvogel mitgenommen habt und nun feststellt, dass er gar nicht verwaist ist, könnt ihr ihn vielleicht wieder mit seinen Eltern vereinen: Vögel suchen bis zu 24 Stunden nach ihrem Jungen und nehmen es wieder an, auch wenn es „fremd riecht“. Setzt den Jungvogel also sorgsam am Fundort ab und beobachtet, ob er wieder von seinen Eltern gefunden wird.

Verletzter Jungvogel gefunden

Von allen bisherigen Einschränkungen ausgenommen sind offensichtlich verletzte Jungvögel, da diese in jedem Fall Hilfe benötigen. Hier wird jedoch unterschieden: Ist der Ästling nur leicht verletzt, kann er vermutlich in der Nähe der Fundstelle versorgt werden. Dazu sollte ein Schuhkarton mit Luftlöchern präpariert und mit Küchenpapier ausgelegt werden. Als Nächstes legt ihr den verletzten Vogel behutsam in den Karton und lasst ihn sich für 3 bis 4 Stunden ausruhen. Vernehmt ihr nach einiger Zeit wieder Bewegungsgeräusche, könnt ihr den Gesundheitszustand überprüfen. Wenn die Flügel nicht mehr herunterhängen und der Vogel auch sonst keine Lähmungserscheinungen mehr aufweist, kann er in der Nähe des Fundortes wieder ausgesetzt werden.

Hat der Vogel nach einer Zeit von 12 Stunden immer noch offensichtliche Verletzungen, muss er umgehend zu einem Tierarzt gebracht werden. Gleiches gilt für Vögel, die blutende Wunden haben oder deren Flügel ersichtlich gebrochen sind. In einigen Fällen wird die Rechnung von der zuständigen Gemeinde übernommen. Wildtierauffangstationen finanzieren sich oft durch Spenden und behandeln gefundene und verletzte Tiere kostenlos.

Vogel mitgenommen: Das sind die nächsten Schritte

Die Pflege eines verletzten oder verwaisten Vogels ist sehr komplex, zeitaufwendig und je nach Art auch teuer. Deswegen empfehlen Experten, die Jungvögel in eine Auffangstation zu bringen. Die Vogelpfleger kennen sich mit den Bedürfnissen der gefiederten Schützlinge aus. Übrigens arbeiten diese Vogelfreunde meist ehrenamtlich, deshalb freuen sie sich immer über eine Spende für die Pflege der kleinen Vögel. Es gibt verschiedene Webseiten, auf welchen ihr Informationen über Auffangstationen in eurer Nähe findet. Auf der Webseite des Wildtierschutzes Deutschland e.V. könnt ihr viele Stationen nach den jeweiligen Postleitzahlen geordnet finden. Auch die Webseiten Wildvogelhilfe und der NABU informieren über zahlreiche Wildtierauffangstationen, die sich um verwaiste oder verletzte Jungvögel kümmern.

Titelbild von JacekBen auf Pixabay.