Sind Windräder Fluch oder Segen für die Natur? Einerseits sollen sie Klimawandel und Schadstoffausstoß verhindern, andererseits sterben jedes Jahr tausende Vögel in ihren Rotoren. Nur wenn man das Problem im Kontext betrachtet, kann man klar sehen.
Das Problem
Windkraft tötet Vögel. Das ist nicht nur eine Schlagzeile, sondern auch ein Fakt. Gemeint ist der so genannte Vogelschlag in Windparks. Vögel, besonders seltene Greifvögel, kollidieren mit Windrädern. Sie geraten in die Rotorblätter oder fliegen gegen die Masten. Stark betroffen ist der Rote Milan, dessen Population zu 60% in Deutschland lebt. Aber auch andere Greifvogelarten wie Seeadler und Mäusebussard sterben in Windkraftanlagen, genauso sind Fledermäuse betroffen. Die genauen Zahlen sind schwer zu schätzen, da viele der toten Vögel eher von Aasfressern als von Menschen gefunden werden. Der NABU geht allerdings von 10.000 bis 100.000 Vögeln im Jahr aus, was einer Dichte von zwei Vögeln pro Jahr und pro Anlage entspricht.
Die Ankläger
Warnungen von Wildparks als Bedrohung für den Vogelschutz kommen von vielen Seiten. In Sachsen etwa hat sich die FDP mit diesem Argument gegen den Bau weiterer Windkraftanlagen ausgesprochen. Andere warnen vor der Gefährdung von Seevögeln an Offshore-Windparks – eine Gefahr, die noch schwerer nachzuweisen ist, da tote Vögel dort weggeschwemmt werden.
Tatsächlich hängt die Bedrohung von der Vogelart ab. Dr. Ommo Hüppop vom Institut der Vogelforschung in Wilhelmshaven erklärt, dass Raubvögel die rotierenden Blätter aufgrund ihres Sichtfeldes schlecht wahrnehmen können. Einige Zugvögel fliegen so tief, dass auch sie in die Nähe der Rotorblätter geraten. Andere Arten, darunter die Mehrzahl der deutschen Brutvögel, meiden das Umfeld der Windparks völlig.
Die Verteidiger
Nicht alle sehen die Bedrohung so gravierend. Mitarbeiter des Bundesverbands Windenergie geben an, sich vor dem Bau von Windkraftanlagen mit Ornithologen abzusprechen. Diese Umweltschutzprüfung sei planmäßiger Bestandteil des Baus eines Windparks. So könnte man zum Beispiel die Anlagen zu den Flugzeiten seltener Vögel ausschalten. Auch das Bundesumweltministerium hat in der Vergangenheit die Bedrohung der Artenvielfalt durch Windparks dementiert.
Die Lösung
Standort und Struktur der Windkraftanlagen können eine Gefährdung des heimischen Vogelbestandes auf ein Minimum verringern. Das haben in den letzten Jahren verschiedene Studien festgestellt. Einer Studie des Michael-Otto-Instituts im NABU von 2008 zufolge sollte man etwa den Bau von Windparks in der Nähe von Brutplätzen wie Gewässern, Gebirgen und Wäldern vermeiden. Die Aufreihung der Windräder sollte möglichst parallel und nicht entgegen der Hauptflugrichtung der Zugvögel gestaltet werden. Insgesamt muss die Anlage für Vögel möglichst unattraktiv sein. Dazu gehört, den Fruchtwechsel in den angrenzenden Äckern für Vögel uninteressant zu gestalten. Zudem haben Wissenschaftler der Loughborough University in Großbritannien festgestellt, dass die weiße Farbe der Anlagen Insekten anlockt, welche wiederum Vögel anlocken. Würde man die Pfähle und Rotoren violett streichen, so die Studie, könnte man den Vogelschlag an den Anlagen verringern.
Der Kontext
Windkraftanlagen und die Energiewende insgesamt sind ein brisantes Thema. Daher muss der wache Beobachter solcher Diskussionen immer beachten, inwieweit die Debatte politisch geprägt ist. Man darf nicht vergessen, dass verschiedene Kräfte ein Interesse daran haben, Windkraftanlagen möglichst positiv oder möglichst negativ dastehen zu lassen. Deswegen sind die Berichte unabhängiger Naturschutz-Verbände am interessantesten für Vogelbeobachter und –schützer.
Darüber hinaus sollte man die Gefährdung im Kontext sehen: Auch beim Bau von Braunkohle-Kraftwerken und anderen fossiler Energielieferanten wird die Tierwelt bedroht, meist sogar langfristig durch deren Abfallprodukte. Und nach einer Schätzung des BUND sterben jährlich 10 Millionen Vögel durch Straßenverkehr und Stromleitungen. In diesem Zusammenhang sind Windkraftanlagen im Großen und Ganzen der Umwelt und Fauna zuträglicher als andere Energiequellen. Die ständige Modernisierung und Instandhaltung der Windkraftanlagen kann eine Chance sein, zunehmend auf die Bedürfnisse des Vogel- und Naturschutzes Rücksicht zu nehmen. Und so dafür sorgen, dass Windräder nicht zu Vogelschreddern werden.
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