Was haben das Great Barrier Reef, der Grand Canyon und das Wattenmeer gemeinsam? All diese Naturdenkmäler stehen auf der Liste des UNESCO-Weltnaturerbes. Mitten im Wattenmeer aber gibt es einen Ort, der weniger der UNESCO als einem kleinen Verein sein Fortbestehen zu verdanken hat: Die Hallig Norderoog. Und mit ihr ihre Vogelvielfalt.
Land auf, Land unter: Halligen in Nordfriesland
Unter all den Vogelbeobachtungs-Hotspots in Norddeutschland nimmt die Hallig Norderoog im Nordfriesischen Wattenmeer eine besondere Stellung ein. Wie die anderen deutschen Halligen ist sie inmitten der Nordseeinseln Föhr, Amrum und Pellworm gelegen, allesamt südlich von Sylt und nördlich von Sankt Peter-Ording. Als Hallig bezeichnet man eine flache Marschland-Insel, welche bei Flut überschwemmt wird. Deswegen sind viele ehemalige Halligen heute verschwunden oder dem Festland angeschlossen. Seit dem 19. Jahrhundert sollen etwa 100 Halligen von der Karte verschwunden sein, teils ohne je einen Namen erhalten zu haben. Dass der Hallig Norderoog dieses Schicksal nicht widerfahren ist, ist dem Verein Jordsand zu verdanken.
Da die Hallig Norderoog nur 9 Hektar groß ist und nie ständig bewohnt wurde, hätte die Hallig leicht in den Fluten der Nordsee untergehen können. Bewirtschaftet wurde sie immer nur von den umliegenden Inseln aus, sodass sich niemand weiter für die Befestigung des Eilands interessierte. Niemand? Nicht ganz. 1909 erwarb der Verein Jordsand die Insel, um den Schutz der Natur selbst in die Hand zu nehmen. Somit ist Norderoog die einzige deutsche Insel in Privatbesitz. Jordsand machte sich seine Eigentumsrechte sogleich zunutze, um den Zutritt auf Norderoog zu beschränken und Uferschutz zu betreiben.
Bis heute arbeitet Jordsand an diesen beiden Zielen, teils mit ehrenamtlicher Unterstützung internationaler Jugendworkcamps.
Doch nicht nur die Befestigung der Insel war das Ziel von Jordsand: Idee war es, die Bewohner der Hallig Norderoog zu schützen. Denn unbewohnbar ist die Norderoog nur für Menschen.
Bedrohte Vögel auf der Hallig Norderoog
Tatsächliche Abwesenheit menschlicher Störenfriede bietet genau das richtige Klima für eine große Vielzahl von Küsten- und Seevögeln. Seltene Arten aus ganz Europa nutzen die Hallig Norderoog als Brut- und Rastplatz, allen voran die geschützte Brandseeschwalbe. Ehemals lebten auf Norderoog etwa eine Viertelmillion Brutpaare dieser Seeschwalbenart. Doch Eiersammler und andere menschliche Plagen dezimierten den Bestand auf nur noch circa 600 Paare zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Der Arbeit von Jordsand sei Dank konnte der Bestand nach dem Kauf der Insel auf 2000 Paare erhöht werden, heute sind es sogar wieder etwa 4000. Woher kommen diese Schwankungen? Die Brandseeschwalbe reagiert besonders empfindlich auf Störungen ihres Lebensraums und ihrer Brutplätze. Deswegen war der Einfluss der Eiersammler im 19. Jahrhundert so gewaltig und deswegen zieht es die Brandseeschwalbe überhaupt auf dieses abgelegene Stück Land. Wie viele andere Arten auch ist die Brandseeschwalbe auf derartige Rückzugsorte angewiesen. Und daher auch auf die Instandhaltung von Gebieten, die uns Menschen direkt nichts bringen. Neben der Brandseeschwalbe ziehen sich auch Lachmöwe, Fluss- und Küstenseeschwalbe, Austernfischer (auch: Halligstorch), Rotschenkel, Eiderente, Brandgans und Silbermöwe auf die Hallig Norderoog zurück. Insgesamt halten sich jedes Jahr bis zu 50 000 Vögel gleichzeitig auf Norderoog auf.
Überwacht werden die Vögel dabei von der Vogelwarte des Vereins Jordsand. Diese Vogelwarte überwacht die Population der einzelnen Arten von Frühjahr bis Herbst und überprüft dabei unter anderem auch deren Bruterfolg. Erforscht werden zudem die Effekte von Klimawandel und Überfischung auf die Vögel von Norderoog.
Hallig Norderoog besuchen
Neugierig geworden? Dann meldet euch doch an für eine der geführten Wattenmeer-Wanderungen auf die Hallig Norderoog! Jedes Jahr nach Ende der Brutsaison am 15. Juli werden Exkursionen in dieses instabile Vogelparadies angeboten. Mehr Informationen zu Terminen und Kosten findet ihr hier.
Für unsere jungen Leser könnte auch ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) im Wattenmeer interessant sein. Dabei lernt ihr den Lebensraum Wattenmeer intensiv kennen und lernt, ihn zu schützen.
Foto: © Norlando Pobre / www.flickr.com/photos/npobre/