Weltweit gibt es etwa 12.000 so genannte „Important Bird and Biodiversity Areas“, kurz IBAs. Bei diesen Gebieten handelt es sich um nichts geringeres als die wertvollsten Natur- und Vogelschutzzonen der Welt.
Etwa 600 davon liegen in Deutschland und stehen unter dem Schutz der 1979 verabschiedeten EU-Vogelschutzrichtlinie. Diese enthält unter anderem den Auftrag an Bund und Länder, in den betreffenden Gebieten nötige Schutzmaßnahmen einzuleiten. Doch das funktioniert leider nicht überall. In fünf deutschen Vogelschutzgebieten ist die Bedrohung besonders groß, sie sind Deutschlands am meisten gefährdete IBAs.
Der untere Niederrhein
Dieses Gebiet zwischen Duisburg und der niederländischen Grenze ist (noch) ein wichtiger Rastplatz für große Gruppen von Wildgänsen, was sich ohne weitere Schutzmaßnahmen aber bald ändern wird. Die Gänse sind im Winter auf die Grünflächen der Region angewiesen, welche aber der immer intensiveren Landwirtschaft weichen müssen. Vor allem Maisfelder verdrängen das Grünland mehr und mehr. Auch mit größeren Windparks, Kiesabbau und Luftverkehr rückt der Mensch dem Schutzgebiet zu Leibe. Früher nutzten neben den Wildgänsen große Scharen von Zwerg- und Singschwänen sowie Goldregenpfeifern den Niederrhein als Rastplatz, sie sind jedoch mittlerweile komplett verschwunden. Da der Rhein von immer größeren Schiffen befahren werden soll, wird seine Sohle immer weiter abgesenkt. Die Folge: viele Feuchtwiesen rund um den Fluss sind heute ausgetrocknet. Das gefährdet unter anderem die seltene Uferschnepfe, die auf Feuchtgebiete angewiesen und mittlerweile vom Aussterben bedroht ist. Trotz diesen alarmierenden Entwicklungen gibt es noch keinen Rettungsplan für die Vögel des Niederrheins.
Die Hellwegbörde
Dieses Vogelschutzgebiet befindet sich in Nordrhein-Westfalen und wird ebenfalls von der immer industrieller werdenden Landwirtschaft bedroht. Ackerbau ist für die vielen Feldvögel dort zwar erst einmal nichts schlechtes. Aber eine sehr enge, eintönige Bepflanzung sowie die Nutzung von Pestiziden zerstören Lebensraum und Nahrungsangebot der Vögel. Beides ist jedoch lebenswichtig, zumal Arten wie Rebhuhn, Feldlerche, Wiesenweihe, Rotmilan, Grauammer und Wachtelkönig in der Hellwegbörde brüten. Schutzmaßnahmen wurden zwar eingeleitet, die Bestände gehen leider dennoch weiter zurück.
Die Leda-Jümme-Niederung
Ein äußerst wichtiger Hotspot für Wasser- und Wiesenvögel in Niedersachsen, dem jedoch der Status als Schutzgebiet fehlt. Entwässerung, Massentierhaltung und Biogasanlagen sind Schlagworte der Gefährdung. Dazu kommen Windparks und die Jagd auf Wasservögel, deren Brutzahlen ohnehin schon drastisch abgenommen haben. Das Gebiet ist ein wichtiger Rückzugsort für Uferschnepfen und Kiebitze, 2011 gab es noch 50 Paare Große Brachvögel und 19 Paare Rotschenkel, 2014 konnten Sumpfohreulen nachgewiesen werden. Auch Zwergschwäne, Silberreiher, Regenbrachvögel und viele weitere Arten machen die Leda-Jümme-Niederung zu einem sehr wichtigen Gebiet, das mehr Schutz verdient hätte.
Das Mühlenberger Loch
Hierbei handelt es sich um ein Watt bei Hamburg, das 1962 aus der sturmgepeitschten Elbe entstand und sich zum Wasservogelrastgebiet entwickelte. In den letzten Jahren fielen jedoch große Flächen dem Bau einer Landebahn für das angrenzende Airbus-Werk zum Opfer. Vor allem Krickenten und Löffelenten hatten dieses Areal zur Nahrungssuche genutzt. Neue Elbvertiefungen werden das restliche Gebiet vermutlich endgültig auslöschen.
Die Vorpommersche Küsten- und Boddenlandschaft
Vielleicht habt ihr in diesem Gebiet sogar schon einmal Urlaub gemacht, denn die Bodden zwischen den Inseln Darß und Rügen sind ein beliebtes Tourismusgebiet. Leider gehört das zu den Bedrohungen der Vögel dort. Schlimmer wirken sich aber der Kiesabbau vor der Küste, der Wasserbau und die Stellnetzfischerei aus. Etwa 17 000 Enten und andere Tauchvögel verfangen sich jährlich in den Fischernetzen und ertrinken. Auch Kormorane, Gänsesäger und Bergenten erleiden häufig dieses Schicksal, während sie sich an der Küste aufhalten.
- Der NABU und viele weitere Wissenschaftler und Vogelschützer appellieren nun eindringlich an die Bundesländer, ihre Pflichten zu erfüllen und sich der fünf gefährdeten Vogelschutzgebiete anzunehmen. Sie sollten vor allem als warnendes Beispiel dazu beitragen, dass alle anderen IBAs mehr Aufmerksamkeit erhalten, bevor es auch für sie fast zu spät ist.
Foto: Christoph Lippok (Lizenz: CC BY 2.0)