Da ihn jeder Mensch kennt, gilt der Haussperling als unverwüstliche Art. Doch der Schein trügt. Unsere Städte verändern sich und nehmen ihm so Stück für Stück seinen Lebensraum weg.
Der Regenwald, Wüsten, Hochgebirge, die Arktis und Antarktis: in diesen Regionen der Erde kommen die Haussperlinge – meist „Spatzen“ genannt – nicht vor. Doch überall sonst sind sie so gut wie allgegenwärtig, vor allem in der unmittelbaren Nähe zum Menschen. Als „Kulturfolger“ haben sie sich in Deutschland parallel zu uns und unseren wachsenden Städten positiv entwickelt. Doch schon seit den 70er Jahren gilt dieser Trend nicht mehr für alle Regionen, vor allem Großstädte wie München und Hamburg verzeichnen negative Bestandstrends für den Haussperling. Aber auch in ländlichen Regionen pfeift der kleine Vogel immer seltener von den Dächern.
Haussperling in Gefahr: Sanierungen und Wohnungsbau
Haussperlinge sind vor allem Gebäudebrüter, das heißt, sie schlüpfen in Nischen und unter lose Fassadenplatten, um dort ihre Eier zu legen. Dabei sind sie vor allem auf ältere, unsanierte Häuser angewiesen. Doch wo energetische Sanierungen und Baumaßnahmen die Lücken verschließen, wird es im wahrsten Sinne des Wortes eng. Die wenigen verbliebenen Brutplätze verlieren Haussperlinge häufig an Mauersegler und müssen das Gebiet verlassen.
Zwar sind die Spatzen dafür bekannt, sich schnell an neue Bedingungen anpassen zu können, doch wo ihnen keine Ausweichmöglichkeiten geboten werden, hilft auch das nicht. Neben den Brutnischen brauchen sie ein großes Nahrungsangebot (Insekten für die Jungen, Sämereien und Essensreste für die Altvögel) im Umkreis des Brutplatzes. Auch Hecken sind wichtig, nicht nur als Schutz vor Feinden, sondern auch als Versammlungsplatz für den Abend. Dort trifft sich die Spatzenkolonie zu gemeinsamen Chorgesängen oder zum Schlafen. Kleine Plätze zum Baden in Wasser oder Staub werden gern angenommen, sind aber verzichtbar.
Beispiel München: Die am dichtesten bebaute Stadt Deutschlands hat auf immer mehr Grünflächen und Naturräume verzichtet, um Wohnungsraum zu schaffen. Die neuen Gebäude sind modern, perfekt versiegelt im Zeichen der Wärmedämmung. Das kommt zwar dem Umweltschutz zugute, sorgte aber auch für einen drastischen Bestandsrückgang beim Hausspatz. Dabei ist es nicht schwer, moderne Architektur mit Vogelschutz zu verbinden. In München und Hamburg gibt es schon entsprechende Hilfsprojekte, die hoffentlich bald in mehr Städten populär werden.
(Unfreiwilliges?) Vorbild Berlin
In der Hauptstadt geht es den Spatzen noch sehr gut. Der einfache Grund: für umfassende Sanierungen und Betreuung von Grünflächen fehlt hier oft das Geld. Das authentische, wilde, pittoreske Bild von Berlin, das es in den Augen vieler Touristen so anziehend macht, gefällt also auch dem Spatz. Er hat viele Brutmöglichkeiten, Sämereien und Insekten sind leichter zu erbeuten.
Nun erwartet natürlich niemand von Berlin, die Stadt zugunsten des Spatzes verfallen zu lassen. Aber wenn Sanierungen geplant werden, sollte gleich mit an den Spatz gedacht werden. Brutnischen im Dach lassen sich ohne größeren Aufwand einbauen, so dass das Zusammenleben von Mensch und Spatz ein neues, modernes Level erreicht.
Sicher, der Spatz ist nichts „Besonderes“ und sorgt mit seinem Erscheinen bei keinem Ornithologen für Aufregung. Umso wichtiger ist es, auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen wieder einmal bewusst dem fröhlichen Tschilp-Konzert aus der nächsten Hecke zu lauschen. Und sich vielleicht zu fragen, ob es einem fehlen würde, wenn es nicht mehr da wäre. Denn viel zu oft schätzen wir die kleinen, schönen Dinge des Lebens erst dann, wenn wir sie schon verloren haben.