Vor allem in der Nähe großer Gewässer ziehen es immer mehr Möwen, Gänse und andere Vögel vor, ihre Jungen auf den Dächern großer Gebäude großzuziehen. Doch kann das eine Dauerlösung sein?
Im Jahr 2011 konnte sich das Dach einer Hamburger Spedition wirklich nicht über mangelnde Betriebsamkeit beklagen. 553 Nester wurden allein von Sturmmöwen besetzt, dazu kamen 37 Schwarzkopf- und 9 Silbermöwennester. In Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein sind solche Dachbruten schon lange keine Seltenheit mehr. Auch Austernfischer, die sonst vor allem an der Küste oder auf Wiesen und Feldern zu finden sind, lassen sich nun zur Familiengründung oft auf Flachdächern nieder. Flussregenpfeifer, Kiebitz, Grau- und Kanadagänse sind weitere Arten, die sich zum Brüten immer höher hinaus wagen.
Die Möwen vom Dach
Silber-, Lach- und Sturmmöwen, auch Mittelmeer- und Heringsmöwen brüten auf Dächern und lassen sich nicht einmal von verwinkelten Strukturen mit vielen Schornsteinen und ähnlichen Hindernissen abhalten. Die äußerst lernfähigen Vögel sind hier sicher vor Fressfeinden wie Marder, Wildschwein und Fuchs. Vor allem der Bestand an Füchsen ist in den letzten Jahren alarmierend gewachsen, da die Tollwut erfolgreich bekämpft wurde. Möwen und auch Seeschwalben mögen Dächer mit Kieselsteinbelag und eher flachem Bewuchs. Diese Umgebung sieht ihren natürlichen Brutgebieten recht ähnlich.
Wichtig ist übrigens auch, dass ein verlässliches Nahrungsgebiet und eine große Wasserfläche in der Nähe des Daches ist. In größeren Städten befindet sich das reichhaltige Nahrungsangebot natürlich oft nur ein paar Meter weiter unten, bei den Imbissen und Restaurants der Menschen.
Schutz durch Höhe
Auch vor Störungen durch Menschen und ihre Landwirtschaft sind die Vögel auf Dächern sicherer als am Boden. Denn dort werden die Wiesen und Felder immer früher im Jahr gemäht und abgeerntet, was die verborgenen Nester, Eier und Jungen meist nicht überleben.
Ein schönes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Dachbrütern und Menschen spielt sich alljährlich auf dem Dach eines Möbelhauses in Kiel ab. Dort brüten Kanadagänse, deren Junge allerdings beim Verlassen des Dachs vom Straßenverkehr getötet werden würden. Deshalb wird die ganze Familie jedes Jahr von den Haustechnikern des Möbelhauses an einen rund 30 km entfernten See gebracht.
Keine Dauerlösung
Zwar hat der Brutplatz Dach einen positiven Effekt auf den Bruterfolg vieler Arten, etwa Möwen und Seeschwalben – sie werden dort aber nicht von jedem gern gesehen. Lärm und Verschmutzungen veranlassen so manchen Gebäudebesitzer, die Vögel zu verjagen oder zu vergrämen. Das bringt allerdings nicht viel ein, da die gefiederten Hausbesetzer einfach auf das nächste Dach ausweichen können. Dachbruten können also auf lange Sicht nur eine Notlösung sein, die uns noch dringlicher an unser eigentliches Ziel erinnert.
Wir müssen die ursprünglichen Lebensräume der Vögel zurückholen und wieder lebenswert für sie machen. Dazu gehört vor allem eine Umstellung der Landwirtschaft und die intensive Betreuung der Schutzgebiete.
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- Wenn ihr Vögeln in eurer Umgebung Unterstützung geben wollt, findet ihr bei uns Anleitungen für die Herstellung eines Nistkastens oder einer Futterglocke für den Winter. Viel Spaß!