Durch kleine Sender auf den Rücken von Jungstörchen können Forscher mittlerweile ermitteln, welcher Vogel wie weit in den Süden ziehen wird – und das schon Minuten nach seinem Abflug.
Der Weißstorch Louis kam 2014 in Radolfzell am Bodensee zur Welt. Damit wurde er zum direkten Nachbarn des Max-Planck-Institutes für Ornithologie und die Forscher wollten natürlich mehr über Louis und seine Artgenossen herausfinden. Vor allem interessierten sie die Zugrouten der Störche. Es sollte möglich gemacht werden, einem Storch rund um die Uhr zu folgen – zumindest auf dem Bildschirm. Also erhielten Louis und über 50 andere Jungstörche Messgeräte, die wie kleine Rucksäcke auf ihren Rücken sitzen. Diese Sender zeichneten von diesem Moment an ihre GPS-Koordinaten sowie Bewegungen und Beschleunigung auf.
Die Reise der Störche – Daten aus dem Weltall
Damals kamen die Daten noch über das Mobilfunknetz bei den Forschern an, mittlerweile nehmen sie den Umweg ins Weltall: Auf der Internationalen Raumstation ISS empfängt eine Antenne die Daten und leitet sie an das Kontrollzentrum in Moskau weiter. Von dort gelangen die Informationen in die frei nutzbare Online-Datenbank „Movebank“ und können so überall auf der Welt von Forschern genutzt werden. All das ist Teil des Forschungsprojektes „Icarus“.
Zurück zu Louis. Seine erste Zugroute war etwa 1.000 Kilometer lang und führte ihn über den Genfer See und die französische Mittelmeerküste bis nach Madrid. Auf einer Deponie im Außenbereich der Stadt verbrachte er den Winter und kehrte im Frühjahr 2016 nach Deutschland zurück. Neben solchen Basisinformationen konnten die Wissenschaftler aber noch viel mehr herausfinden.
Die Reise der Störche – Leitvögel fliegen weiter
Zum Beispiel, dass es in den Reisegruppen der Störche so genannte Leitvögel gibt. Das sind erfahrene Tiere, die die Thermik gut zu nutzen wissen und ihre Gruppe an Stellen mit möglichst viel aufsteigender Warmluft führen. Die funktionieren ähnlich wie Autobahnauffahrten für uns Menschen. Die Vögel gehen in den Segelflug über und lassen sich vom Auftrieb in die Höhe ziehen. Dabei fliegt der Leitvogel stets voran und gibt die optimale Strecke vor; alle anderen folgen ihm etwas langsamer.
Je nachdem, wie gut ein Storch fliegen kann, nimmt er eine bestimmte Position innerhalb der Gruppe ein. Häufiges Flügelschlagen bedeutet, dass ein Vogel die Thermik nicht optimal ausnutzt und demnach mehr Energie verbraucht. Einen solchen Vogel wird man nie an der Spitze der Gruppe antreffen, sondern weiter hinten. Louis zum Beispiel ist bisher ein eher mittelmäßiger Flieger und daher stets in Europa geblieben. Leitvögel hingegen fliegen viel weiter, meist bis nach Westafrika. Ist eine Gruppe losgeflogen, können die Forscher schon nach wenigen Minuten sagen, wer wie weit fliegen wird. Im folgenden Video zu sehen: Die Störche mit Routen in rötlichen Farben schlugen öfter mit den Flügeln als jene mit den grünen oder blauen Routen.
Reiseroute, Flugleistung und Sozialverhalten – drei wichtige Faktoren, die auf faszinierende Weise miteinander verknüpft sind.