Das Geheimnis der Dohlenaugen
Aus den Augen, aus dem Sinn? Bei den Dohlen trifft das nicht zu. Wie Wissenschaftler entdeckten, können sie mit ihrem stechenden Blick Erstaunliches bewirken.
Dohlen: schlaue Rabenvögel
Wie alle aus der Familie der Rabenvögel beweist die Dohle im Alltag außergewöhnliches Geschick. Sie kann hartes Futter in Wasser aufweichen oder Kastanien durch geschicktes Abwerfen über dem Boden knacken. Aber ihre Intelligenz bezieht sich nicht nur auf die Nahrungssuche. Dohlen faszinieren durch ihr neugieriges, soziales Wesen. Innerhalb einer Kolonie stellen sie Rangordnungen auf und erkennen ihre Artgenossen individuell wieder. Auch Feinde bleiben den Dohlen auf ewig im Gedächtnis und sie lernen voneinander, sowohl Feindbilder als auch die neuesten Techniken bei der Futtersuche.
Was bisher allerdings kaum bekannt war: Dohlen können mit Hilfe ihrer Augen kommunizieren! Diese stechen schon von ganz allein heraus, wenn man eine Dohle betrachtet: die leuchtend helle, fast weiße Iris sorgt für einen stechenden Blick, dem man sich kaum entziehen kann. Aber er hat auch Abwehrfunktionen. Denn so sozial die Dohlen in ihren Brutkolonien auch zusammen leben, wenn es um die eigene Behausung geht, ist Schluss mit lustig. Dohlen können ihre Bruthöhlen nicht selbst bauen und müssen sich daher mit anderen Vögeln um alte Spechthöhlen, Felslöcher und Mauernischen streiten.
Das Experiment mit den Dohlenaugen
Die Verhaltensforscherin Gabrielle Davidson von der University of Cambridge hatte im Außenbereich ihrer Universität jede Menge Dohlennisthöhlen gebaut, die sie für ihre Forschungen besonders ausstattete. Sie brachte in den Höhlen verschiedene Fotos an, ein Teil zeigte ein Dohlengesicht, ein weiterer das Gesicht eines Raben mit einmontierten Dohlenaugen und auf den restlichen Fotos war ein Dohlengesicht mit einmontierten Rabenaugen zu sehen. Und dann blieb Gabrielle Davidson nur noch übrig, zu beobachten und zu staunen.
Denn die Nisthöhlen, die das Foto einer starrenden Dohle mit Dohlenaugen enthielten, wurden auffallend selten von den Dohlen angeflogen. Sie erkannten auf den Fotos also ihre Artgenossen und lasen in deren Blick, dass es besser wäre, diese Nisthöhle in Ruhe zu lassen. Die helle Iris fällt dank des schwarzen Gefieders stark genug auf, um als Erkennungsmerkmal zu dienen. Bei den mit Rabenfotos bestückten Höhlen ließen sich die Dohlen aber nicht so leicht verjagen. Fremden Vögeln wollten sie die begehrten Nisthöhlen daher nicht so einfach zugestehen wie anderen Dohlen.
Vogel des Jahres 2012
Übrigens misst die Dohle etwa 40 cm und gehört damit eher zu den kleineren Vertretern der Rabenvögel. Sie ist größtenteils schwarz gefiedert, im Nacken allerdings findet sich eine silbergraue Färbung. Die schon viel beschriebenen Augen sind in der Jugend hellblau und werden später silbergrau. Dohlen suchen am liebsten am Boden nach Nahrung und bewegen sich dabei mit eleganten Hüpfern fort. Nicht umsonst wurden grazile Tänzerinnen früher auch scherzhaft „Hupfdohlen“ genannt. 2012 wurde die Dohle zum Vogel des Jahres gewählt.
Leider werden immer mehr Altbauten und Kirchengebäude saniert, so dass der Dohle viele Nistplätze verloren gehen. Und selbst wenn genug Mauernischen erhalten bleiben, fallen doch oft die wenigen verbliebenen Grünflächen im Umkreis der Gebäude dem Grünlandumbruch zum Opfer. Ihr könnt den Dohlen helfen und Nistkästen aufhängen, am besten an einem Ort, wo niedrig bewachsene Grünflächen nicht weit sind (vielleicht eignet sich ja euer Kleingarten?).
Auch wir haben uns schon einmal näher mit der Dohle beschäftigt und sie zu unserem Vogel der Woche gemacht – zum weiterlesen!
Foto: Nottsexminer (Lizenz: CC BY-SA 2.0) / flickr.com