Nach 10 Jahren akribischer Arbeit ist er fertig: der neue Europäische Brutvogelatlas (EBBA2). Er liefert viele Erkenntnisse darüber, was sich aktuell in der europäischen Vogelwelt tut.
Allen Beteiligten war klar, dass es ein extrem aufwendiges Mammutprojekt werden würde. Trotzdem waren sich europäische Vogelforscher und –schützer einig: Es ist Zeit, das Wissen des ersten Europäischen Brutvogelatlas von 1997 zu überholen und eine aktuelle Ausgabe anzufertigen. Die erste Auflage des neuen Atlas war dann auch sofort vergriffen. Kein Wunder, denn das Werk enthält wichtige Informationen über die europäischen Vogelarten, ihre Bestände und Verbreitungsgebiete.
Neuzugänge, Gewinner und Verlierer
Ein zentrales Ergebnis der Forschungen: In Europa brüten derzeit 596 Vogelarten. Darunter befinden sich mittlerweile knapp 60 Neozoen, also Vögel, die ehemals nicht in Europa heimisch waren. Neben dem afrikanischen Haussegler gehören dazu vor allem Nil– und Kanadagans. Der EBBA2 zeigt den Seeadler als deutlichen Gewinner, denn gegenüber 1997 konnte der stolze Greifvogel sein Brutgebiet stark ausweiten. Kritisch steht es unter anderem um den Seggenrohrsänger. Das ohnehin schon kleine Gebiet dieses Singvogels ist nämlich noch weiter geschrumpft und beschränkt sich nun auf Teile von Polen und Weißrussland.
Ausbreitung nach Norden
Der neue Brutvogelatlas zeigt außerdem eine unübersehbare Entwicklung, die stark vom Klimawandel beeinflusst ist. Immer mehr Vogelarten weiten ihr Brutgebiet nach Norden aus. Schließlich finden sie dort nun ebenfalls angenehme Temperaturen vor. Insgesamt rücken die Brutgebiete um einen Kilometer pro Jahr nordwärts. Die Samtkopf-Grasmücke konnte ihren Lebensraum in den letzten dreißig Jahren um 24 Kilometer in den Norden ausweiten, ohne im Süden seltener zu werden. Auch Silberreiher, Zitronenstelze, Mittelmeermöwe und Bienenfresser fühlen sich nordwärts immer wohler. Der Kuhreiher arbeitet sich aus Spanien vor und könnte bald auch in Deutschland Brutversuche unternehmen.
Schattenseiten der Erwärmung
Was zunächst gar nicht so schlecht klingt, hat für viele Arten auch Nachteile. Sie müssen eine Klimaflucht nach Norden unternehmen, weil es ihnen in Südeuropa zu heiß und trocken wird. Ein prominentes Beispiel ist die Wachtel, denn sie taucht immer häufiger Skandinavien und Schottland auf, im Süden nimmt ihr Bestand hingegen rasant ab.
Vögel, die sich sowieso nur in der Kälte des Nordens wohlfühlen, können nirgendwohin ausweichen, wenn es zu warm wird. So wird das hocharktische Odinshühnchen laut EBBA2 immer seltener, ebenso wie viele Gebirgsvögel, die vom Schnee abhängig sind.