Im Schutz der Kolonie – Klippenbrüter
Sie brüten auf engstem Raum hoch über dem Meer und haben die schönste Aussicht, aber auch mit großen Gefahren zu kämpfen. Klippenbrüter – Seevögel, die ihre Jungen auf den rauen Felsen der Küsten aufziehen.
Salzige Seeluft weht um den Schnabel, unter den Füßen ist der harte Stein zu spüren. Wenige Zentimeter weiter geht es bereits steil in die Tiefe. Als Raumwunder kann man die Brutplätze der Klippenbrüter wirklich nicht bezeichnen. Und den größten Teil ihres Lebens verbringen Papageitaucher, Basstölpel, Trotellumme, Tordalk und Eissturmvogel auch nicht in dieser Enge. Ihr Element ist das Meer, sie fliegen darüber hinweg, schwimmen auf der Wasseroberfläche oder tauchen wie Torpedos unter, um nach Nahrung zu suchen. Absolute Freiheit. Warum also pferchen sie sich für die Brut jedes Jahr mit tausenden Artgenossen zusammen?
Küstenmangel auf der Erde
Selbst Hochseevögel brauchen für die Fortpflanzung und Brut festen Boden unter den Schwimmhäuten. Der Brutplatz sollte aber möglichst nah an ihrem Nahrungsdepot, dem Meer, liegen. Außerdem muss er Schutz vor Feinden bieten. Diese Anforderungen erfüllen die Felsen und Klippen an den Küsten – auch wenn sie nicht besonders bequem sind. Weil die Erde eine Gesamtküstenlinie von etwa 356.000 Kilometern hat und bisher noch rund 700 Millionen Seevögel leben, kommt rechnerisch ein Brutpaar auf einen Meter Küste. (In Deutschland bietet der 1,1 Hektar große „Lummenfelsen“ auf Helgoland die einzige Möglichkeit.) Die Vögel haben demnach schlicht keine andere Wahl, als in Kolonien zu brüten. Doch diese Brutstrategie geht über eine bloße „Zweckgemeinschaft“ deutlich hinaus. Trotz aller Zänkereien um Fische, Brutplätze und Partner können sich die Vögel gegenseitig helfen und beschützen.
Zeigt her eure Fische!
Ein sehr bekanntes Beispiel für Seevögel, die in Kolonien brüten, sind Pinguine. Die majestätischen Kaiserpinguine drängen sich in der Kälte des antarktischen Winters eng zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen. Durch ein Rotationssystem ist gewährleistet, dass jeder mal in die Mitte der Gruppe kommt. Ohne diese Strategie würden die brütenden Männchen mit den kostbaren Eiern auf ihren Füßen erfrieren.
In unseren Breitengraden sind die Seevögel zwar nicht solchen extremen Temperaturen ausgesetzt, doch auch sie nutzen die Gruppendynamik. Dreizehenmöwen beispielsweise beobachten ihre Artgenossen und finden so die besten Brutplätze. Haben sie eine vielversprechende Kolonie entdeckt, siedeln sie sich einfach in der Nachbarschaft an. Basstölpel brauchen für diesen Prozess etwas länger. Die Jungvögel verbringen ihre ersten Lebensjahre mit Erkundungsflügen, um den optimalen Brutplatz zu finden. Wurde ein neues Gebiet erschlossen, spricht sich das unter den Vögeln schnell herum und die junge Kolonie wird schnell sehr stark.
Auch bei der Nahrungssuche orientieren sich die Klippenbrüter an ihren Mitbewohnern. Kommt ein Vogel immer wieder mit fetter Beute zurück zum Felsen, hat er bald einen Schatten aus Nachahmern. Die hungrigen Vögel folgen ihrem Artgenossen und finden so bessere Jagdreviere. In großen Kolonien kann das allerdings auch zu Nahrungsknappheit führen.
Gemeinsam sind wir stark
Klippenbrüter profitieren natürlich auch von den Vorteilen einer großen Gruppe. Die Kolonie zieht zwar die Aufmerksamkeit von Räubern auf sich, aber da viele Augen auch gleich mehr sehen, können die Vögel sich gegenseitig vor der Gefahr warnen. Feinde wie Füchse und Marder erreichen die steilen Klippen meist sowieso nicht. Aber räuberische Möwen (zum Beispiel Silbermöwen) lassen sich leichter abschrecken, wenn hunderte oder gar tausende Vögel zur Verteidigung ansetzen.
Besonders interessant: Viele Klippenbrüter könnten allein gar keine Brut beginnen. Biologisch gesehen dient die Kolonie nämlich als Stimulation zur Fortpflanzung. Trotz dieser Harmonie im Zeichen des Familienglücks gibt es aber immer wieder Streit – was bei uns Menschen ja auch nicht anders ist. Während wir unser Zimmer oder die Wohnung als Rückzugsort haben, bevorzugen verschiedene Vogelarten unterschiedliche Plätze an einer Klippe. So verteilen sich die Vögel besser und ersparen sich unnötigen Stress mit den Nachbarn.
Brutplätze für alle
Die Trottel- und Dickschnabellummen haben wohl die gefährlichste Vorliebe. Sie brüten auf schmalen Simsen in großer Höhe, ein Brutplatz ist selten größer als ein Taschentuch. Sie sind in der Luft nicht gerade wendig und können sich an dieser schwierigen Stelle kein Nest bauen. Daher griff die Natur zu einem Trick: Das Ei der Lummen ist kreiselförmig, dreht sich daher nur um sich selbst und kann nicht von der Klippe rollen. Trotzdem stellen sich die Altvögel natürlich schützend vor ihr Ei und können oft in langen Reihen an den Felsen beobachtet werden – immer kurz vor dem Abgrund.
Papageitaucher wiederum graben sich Bruthöhlen ins Erdreich der Felseninseln. Die kräftigen Schnäbel und Füße sind dabei ideale Werkzeuge. In den Höhlen wachsen die Küken meist ungestört heran, bis sie selbstständig sind. Starke Stürme und Regengüsse können die Höhlen allerdings zerstören oder fluten.
Wann immer ein einzelnes kleines Plateau auf den Klippen zu haben ist, wird sich eine Dreizehenmöwe darauf stürzen. Die Art baut richtige Nester aus Tang und anderem natürlichen Material. Leider verirren sich auch immer wieder Kunststofffasern und Plastikteile in die Nester, an denen sich die Vögel strangulieren oder verletzen.
Ganz oben in den Kolonien stehen die majestätischen Basstölpel. Und das ist wörtlich zu nehmen, denn die großen Seevögel brauchen einen Brutplatz, den sie gut anfliegen können. Mindestens zehn Meter über dem Meer bebrüten die Vögel ihre Eier (eins pro Paar), indem sie ihre großen Füße darüberstülpen. Auch Basstölpel haben extrem mit der Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll zu kämpfen. Allein im Lummenfelsen auf Helgoland hängt nach Untersuchungen etwa eine Tonne Plastikmüll. Besonders gefährlich sind die langen Fasern, die laut Greenpeace von den Schleppnetzen der Fischer stammen. Um die Klippenbrüter, ihre Küken und ihren Lebensraum zu schützen, muss die Verschmutzung der Meere unbedingt eingedämmt werden.
Foto: Sarahhoa (Lizenz: CC BY-SA 2.0)