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Allgemein Naturwelt

Winterfütterung allein macht noch keinen Artenschutz! – Einblick in eine NABU-Ortsgruppe

Winterfütterung allein macht noch keinen Artenschutz! – Einblick in eine NABU-Ortsgruppe

Der gute Wille allein ist nicht alles: Wer sich als Vogelbeobachter nur privat für den Naturschutz einsetzt, wird seiner Verantwortung als Naturschützer nicht gerecht, sagt Franz Reuter von der NABU-Ortsgruppe Moers / Neukirchen-Vluyn.

Der NABU im Großen und im Kleinen

Vom NABU, dem Naturschutzbund Deutschland e.V., haben wir schon oft berichtet, sei es von den Vogelzählaktionen Stunde der Wintervögel und Stunde der Gartenvögel oder als Veranstalter des Vogelfestivals Hansebird. Doch wie sieht die alltägliche Vereinsarbeit beim NABU abseits solcher Großaktionen aus? Wir haben mit Franz Reuter, dem Leiter der NABU-Ortsgruppe Moers / Neukirchen-Vluyn im westlichen Ruhrgebiet, über seine Arbeit und Verantwortung gesprochen. Dabei haben wir einiges gelernt: Nicht nur über den politischen Einfluss jeder NABU-Ortsgruppe, sondern auch über die Veranwortung aller Vogelbeobachter und darüber, wie wichtig Teamarbeit für den Vogelschutz ist.

Interview mit dem Leiter der NABU-Ortsgruppe Moers / Neukirchen-Vluyn

Vogel & Natur: Bei NABU-Großaktionen wie der deutschlandweiten „Stunde der Wintervögel“ ist die Mitarbeit jeder einzelnen Ortsgruppe gefragt. Auch die NABU-Ortsgruppe Moers / Neukirchen-Vluyn engagiert sich dafür (siehe Rheinische Post vom 03.01.2015). Wie erfolgreich war die Aktion dieses Jahr und welche Ergebnisse gab es für die Region Neukirchen-Vluyn?

Ortsgruppenleiter Franz Reuter: 77.000 Vogelfreundinnen und Vogelfreunde haben an dieser Aktion teilgenommen. Ein wenig mehr sogar als 2014. Auch die Zahl der beobachteten Vögel nahm mit 2,08 Millionen gegenüber dem Vorjahr leicht zu.
Ziel der Aktion ist es, ein sowohl deutschlandweit als auch regional möglichst genaues Bild von der Vogelwelt in unseren Städten und Dörfern zu erhalten. Dabei geht es nicht um exakte Bestandszahlen aller Vögel, sondern vielmehr darum, Häufigkeiten und Trends von Populationen zu ermitteln. Der NABU-Bundesverband und seine Landesverbände analysieren die Ergebnisse und erhalten dadurch eine Fülle wertvoller Informationen über die Vogelwelt, die wiederum eine wichtige und hilfreiche Grundlage für Aktivitäten im Vogelschutz sind.
Schaut man sich die Rote Liste der Brutvögel Nordrhein-Westfalens an, so erkennt man einen dramatischen Rückgang der fünf in NRW noch weit verbreiteten und häufigen Arten Star, Haussperling, Feldsperling, Feldlerche und Rauchschwalbe, der deutlich macht, wie stark die Bedrohung unserer gesamten Artenvielfalt insbesondere durch die immer intensiver betriebene Landwirtschaft mittlerweile ist.
Ein Gesamtergebnis für das Kerngebiet unserer NABU-Ortsgruppe, die Region Moers / Neukirchen-Vluyn, kann ich leider nicht vorstellen, allerdings können Sie über die NABU-Datenbank die Daten für Ihre Region und Ihre Lieblinge abfragen.

V&N: Was sind Ihre Aufgaben als Leiter der NABU-Ortsgruppe Moers / Neukirchen-Vluyn?

Reuter: Meine Aufgaben als Leiter der NABU-Ortsgruppe sind vielfältig. Sie umfassen die Planung und Durchführung von unterschiedlichen Projekten, dazu die Abstimmung und Terminplanung mit den aktiven Mitgliedern. Zu nennen ist hier die Kopfweidenpflege, die jedes Jahr von November bis Februar stattfindet. Diese Maßnahme dient dem Erhalt der Kopfweidenbestände. [Anmerkung der Redaktion: Kopfweiden wurden früher für die Verwendung als Flechtwerk regelmäßig gestutzt. Da Korbflechterei und Fachwerk heute sehr viel seltener sind, werden die Baumkronen zu schwer und brechen häufig.] Pro Jahr werden ca. 200 Bäume gepflegt. Im Vorfeld dieser Arbeiten werden im Sommer die zu pflegenden Bäume ermittelt, die Genehmigung der entsprechenden Grundstücksbesitzer eingeholt und darauf folgend der Antrag an die Untere Landschaftsbehörde erstellt.
Neben der Kopfbaumpflege betreut unsere NABU-Ortsgruppe noch viele weitere Aufgaben im Naturschutz, unter anderem den Aufbau und die Überprüfung von Amphibienschutzzäunen, die Kartierung der lokalen Steinkauz-Bestände, die Planung der Teilnahme am 2. Moerser Umwelttag und die Betreuung des NABU-Naturschutzzentrums in Neukirchen-Vluyn. Das circa ein Hektar große Zentrum mit Teichen, Trockenmauer, Blumenwiese, Obstbäumen und einem Kräutergarten muss regelmäßig gepflegt werden. In den Sommermonaten bieten wir hier außerdem Exkursionen für Kindergärten und Schulen an, welche gerne genutzt werden.
Regelmäßig werden wir vom NABU auch um Stellungnahmen zu unterschiedlichen Themen gebeten (zum Beispiel bei der Planung von Windkraftanlagen und der Ausweisung von neuen Baugebieten) Gelegentlich ist eine intensive Einarbeitung in die Thematik nötig. In den vergangenen Jahren habe ich außerdem zusammen mit anderen NABU-Aktiven den Energieversorger ENNI bei der Erstellung eines Solarparks beraten, natürlich nur im Hinblick auf Naturschutzbelange. Auf dem bebauten Gelände findet man unter anderem die Kreuzkröte. Diesen Bestand wollten wir auf jeden Fall dort sichern.
Wie Sie sehen, gibt es viel zu tun für unsere NABU-Ortsgruppe. Das alles ist aber nur im Team zu erledigen. Die Aktiven treffen sich einmal im Monat, besprechen alle anstehenden Arbeiten und teilen diese auf. Aber auch das gesellige Beisammensein soll nicht zu kurz kommen. Ein bis zweimal im Jahr plane ich daher einen Ausflug oder einen Grillabend.

Vogelbeobachtung-NABU-Ortsgruppe

V&N: Welche Vogelarten sind für die Region Moers / Neukirchen-Vluyn typisch und welche stehen unter besonderem Schutz?

Reuter: Da fällt mir zu aller erst der Steinkauz ein. Der Bestand in Deutschland wird auf circa 7.500 bis 8.000 Brutpaare geschätzt. 75 % dieses Bestandes befindet sich aufgrund der klimatischen Bedingungen am Niederrhein. Der Steinkauz ist vom Aussterben bedroht und hat daher den Schutzstatus „streng geschützt“; gleiches gilt für die Vorkommen an Schleiereulen und Waldkäuzen.
Vielen anderen Vogelarten, die nicht nur speziell in unserer Region vorkommen, geht es da nicht besser. Und wir reden hier nicht über „Exoten“, sondern auch Kiebitz, Feldlerche, Mäusebussard, Eisvogel oder Grünspecht, um nur einige zu nennen. Nähere Informationen bekommt man zum Beispiel über das Ministerium für Umwelt und Naturschutz in NRW und deren kostenlose Broschüre „Geschützte Arten in Nordrhein-Westfalen – Vorkommen, Erhaltungszustand, Gefährdungen, Maßnahmen“ sowie entsprechende Behörden in anderen Bundesländern. Die Auflistung ist erschreckend.

V&N: Tragen Vogelbeobachter an Sie als NABU-Ortsgruppe Ideen für Aktionen und Schutzprojekte heran? Oder ist die Mitgliedschaft dafür Voraussetzung?

Reuter: Konkrete Ideen für Aktionen oder Schutzprojekte werden von Vogelbeobachtern selten bis gar nicht an uns herangetragen. Ideen für Aktionen kommen in den meisten Fällen aus den Gruppen der Aktiven selbst. Viel häufiger kommt es dagegen vor, dass wir gebeten werden verletzte Vögel abzuholen und zu versorgen. Aufzucht und Pflege von verletzten Vögeln sind allerdings eine Aufgabe für Spezialisten, die sich wirklich mit den Bedürfnissen der Tiere auskennen. In unserer NABU-Ortsgruppe gibt es so einen Spezialisten nicht, sodass wir hier nicht wirklich helfen können.
Wohlmeinende Vogelbeobachter sollten bedenken, dass nicht jeder Jungvogel verlassen ist und „gerettet“ werden muss. Häufig fehlt in der Bevölkerung der richtige Blick für das Notwendige oder das Wissen darüber, dass Jungvögel auch weiterhin von den Eltern versorgt werden.
Um beim NABU aktiv zu werden, ist eine Mitgliedschaft nicht notwendig. Jeder, der mitmachen will, ist bei uns immer herzlich willkommen. Wir sehen es natürlich trotzdem gerne, wenn jemand Mitglied in einer NABU-Ortsgruppe wird. Je mehr Mitglieder der NABU hat, desto eher können wir Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Dies ist allerdings hauptsächlich Aufgabe der Landesverbände und des Bundesverbandes sowie regional in unserem Fall die NABU-Kreisgruppe Wesel e.V.

V&N: Wie können sich einzelne Vogelbeobachter und Naturfreunde am besten für den Artenschutz in ihrer Region einsetzen? Was bringt die Mitgliedschaft in der nächsten NABU-Ortsgruppe?

Reuter: Auch wenn dies nicht gerne hören wollen – nur mit einer Winterfütterung von Vögeln kommt keiner seiner Verantwortung auch nur im Geringsten nach. Sorry – aber dies ist leider eine Tatsache.
Zu groß sind die Aufgaben, die vor uns liegen. Wenn Sie und Ihre Leser sich ernsthaft einsetzen wollen, werden Sie bitte Mitglied bei einer Naturschutzorganisation wie der lokalen NABU-Ortsgruppe. Die Verbände können auf politischer Ebene arbeiten. Themen wie die Agrarreform oder Flächenverbrauch müssen aufgegriffen werden. Dies gilt nicht nur national, sondern auch international – also auf EU-Ebene.
Aber natürlich kann jeder von uns auch privat etwas unternehmen.
Werden Sie im NABU aktiv!
Nehmen Sie Kontakt zu den Gruppen vor Ort auf und erfragen Sie, wo Hilfe nötig ist und wo Sie ganz persönlich sich einbringen können. Passt das Angebot nicht, so gründen Sie eine eigene Projektgruppe und begeistern Sie andere, es Ihnen gleichzutun. Niemand kann effektiven Naturschutz alleine betreiben. Dazu benötigt man eine Gemeinschaft.
Zusätzlich können Sie Ihren Garten umgestalten. Machen Sie ihn zu einem naturnahen Garten mit heimischen Heckenpflanzen, einem Stück Blumenwiese oder Wildblumensäumen. Stellen Sie Nistmöglichkeiten für Wildbienen oder andere Kleininsekten auf. Werden Sie zu einem „faulen“ Gärtner und räumen nicht mehr alles auf und weg.
Und vor allem – verzichten Sie auf den Einsatz von Gift in Form von Unkrautvernichtungs- und Schädlingsbekämpfungsmitteln. Diese Gifte töten Insekten und anderes Getier, welche von Vögeln, Fledermäusen und Igeln gefressen werden. Im Garten leben Nützlinge, die Ihnen die Arbeit abnehmen, wenn man sie nur lässt. Zudem sind dies Gifte auch für uns gefährlich, manche eventuell krebserregend. Und wenn Sie tatsächlich nicht untätig zusehen wollen, wie sich die Blattläuse auf Ihren Rosen tummeln, so versuchen Sie es doch einmal mit alten Hausmitteln wie Brennesseljauche oder normalem Spülmittel. Weitere Tipps finden Sie unter www.NABU.de/balkonundgarten.

V&N:  Wir danken den Mitgliedern der NABU-Ortsgruppe für ihre ausführlichen Antworten!

>> Mehr über die NABU-Ortsgruppe Moers / Neukirchen-Vluyn erfahrt ihr auf deren Website https://www.nabu-moers-neukirchen-vluyn.de/!

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