Ritt mit den Adler-Jägern
Reisetagebuch von Jamie Maddison
8. Oktober 2012, Tavan Bogd National Park, Mongolei
Ein Steinadler erheben sich majestätisch vom Arm eines Jäger gen Himmel und lässt mich, meinen Reisekumpel Matt und unsere Begleiter auf einem kahlen, kalten Gipfel in der menschenleeren westmongolischen Steppe zurück. Flach und eintönig erstreckt sich vor uns eine weite, öde Ebene bis zu den schneebedeckten Bergen am dunstigen Horizont.
Auf dem Rücken meines treuen Pferdes „Kafka“ folge ich der sich langsam entfernenden Silhouette des imposanten Greifvogels. Bald kann ich ihn mit bloßem Auge kaum noch erkennen. Mein Sektor-Fernglas hilft und ich bestaune weiterhin seine weit abgespreizten Flügel, die sich erhaben gegen einen kristallblauen Himmel abheben.
Ein dunkler Schatten senkt sich herab
Plötzlich ertönt ein greller Schrei über die Steppe und der Adler stoß steil auf den Boden zu. Schnell folge ich der Flugrichtung mit meinem Fernglas: Ein Kaninchen hetzt über die mit zertrümmerten Felsbrocken übersäte Ebene. In tödlicher Verheißung senkt sich nun ein dunkler Schatten über das fliehende Kaninchen. Gebannt sehen wir durch unsere Objektive wie das tapfere Kaninchen im letzten Augenblick einen Hacken schlägt und im Labyrinth der Steinquader verschwindet – für immer den scharfen Krallen seines Verfolgers entronnen.
Ich atme auf, denn ich bin nicht unbedingt ein Fan der Jagd. Aber der Möglichkeit, den talentierten Reiter in die Steppe zu folgen, konnte ich nicht widerstehen. Ist es doch eine über 1000 Jahre lange Tradition, die eng mit dem Leben in der westmongolischen Steppe verbunden ist.
Höllenritt durch die Steppe
Ein weiterer Schrei ertönt. Diesmal von den Jägern. Auf ihren geschmückt Pferden jagen sie über die Steppe dahin – verfolgt von ihren majestätischen Vögeln, die sich im vollen Ritt anmutig auf dem kunstvoll gepolsterten Arm der Mongolen niederlassen. Ich gebe meinem Pferd die Sporen und folge ihnen – dicht gefolgt von Matthew, der sich – genauso wie ich –bemüht, bei dem Höllenritt im Sattel zu bleiben.
Die nächste Rast bringt etwas Ruhe und ich schau mir die öde Landschaft genauer an. Sie scheint leer und ausgestorben. Nur in der Weite ziehen mongolische Nomaden mit ihren Ziegenherden vorbei. Kleine aufsteigende Rauchschwaden lenken meinen Blick auf kaum erkennbare Behausungen der Steppenbewohner.
Des einen Glück ist des anderen Leid
Aber die Zeit der Beobachtung ist kurz. Schon traben Matthew und unsere Begleiter an mir vorbei auf einen steilen Bergpfad zu. Die Jagd geht weiter. Doch bis zu ihrem Ende sehen wir keine weiteren Tiere – worüber ich nicht ganz so unglücklich bin wie unsere Begleiter. Enttäuscht über das bescheidene Jagdglück führen uns die Adler-Jäger am Abend zu unserer Unterkunft in einer Grenzstadt des Altai-Gebirges zurück. Erschöpft folgen wir den drei stolz aufgerichteten Adler-Jägern mit ihren imposanten Vögeln im abnehmenden Tageslicht. Wie merkwürdig wir in unseren über großen, geborgten Reitermänteln in der ungleichen Prozession auf die Einheimischen wirken müssen, stört uns nicht. Denn die außergewöhnliche Erfahrung mit ihnen zu jagen, werden wir sicherlich nur einmal im Leben machen.
Schon morgen geht es zu Fuß zurück in die Wildnis gehen, wo wir im kalten Schnee und unter einem funkelnden Sternenhimmel übernachten werden. Doch dazu mehr im nächsten Teil…
Teil 1: Start ins Abenteuer >>>
Foto: © Jamie Madisson