Für die Vögel der Agrarlandschaft in Deutschland und Europa wird die Lage immer aussichtsloser. Gigantische Mais- und Rapsfelder bieten ihnen keinen Lebensraum, Pestizide und Landschaftswandel erledigen den Rest.
Die Biologin Rachel Carson durchschaute schon in den 1950er Jahren, wie der Mensch mit der Natur umging. Sie veröffentlichte 1962 das Sachbuch „Silent Spring“ und sah darin genau den stummen (also vogelfreien) Frühling voraus, den wir möglicherweise bald erleben werden. Das Buch behandelte vor allem den tödlichen Einfluss von Chemikalien auf die Tier- und Pflanzenwelt und letztendlich das gesamte Ökosystem. Carson hatte nicht nur begeisterte Anhänger, sondern musste auch mit viel Widerstand, Unverständnis und Spott kämpfen. Doch spätestens heute sehen wir, wie richtig die Biologin mit ihren Enthüllungen lag. „Silent Spring“ gilt mittlerweile als eines der einflussreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts.
Vögel der Agrarlandschaft bleiben auf der Strecke
Rachel Carsons Botschaft ist so aktuell wie nie. Schließlich vernichten die Chemikalien mit den Insekten auch die Nahrungsgrundlage der Feldvögel: die Insekten. Viele Arten kommen ins Brutgebiet, registrieren die Nahrungsknappheit und versuchen gar nicht erst, sich fortzupflanzen. Und es gibt noch viele weitere Bedrohungen für die Vögel der Agrarlandschaft. Abwechslungsreiche Felder mit verschiedenen Pflanzen und Früchten sind Mangelware, meist sprießen Energiepflanzen wie Mais oder Raps, soweit das Auge reicht. Hecken, kleine Baumgruppen und Blühwiesen würden den Vögeln wichtigen Lebensraum bieten, werden aber meist einfach zerstört.
Die Landwirte stehen unter Druck und wollen wirtschaftlich mit der Konkurrenz mithalten. Das bedeutet: so viel und schnell wie möglich anbauen und ernten. Auf Bruttermine von Vögeln, die auf den Feldern nisten, nimmt dabei kaum jemand Rücksicht. Die Mahd findet immer früher statt und wird so intensiv wie möglich durchgeführt, schließlich will der Bauer nichts verschenken. Und damit die Masse stimmt, wird auch feuchtes und (noch) artenreiches Grünland ebenfalls zur Anbaufläche gemacht – dieser Vorgang heißt „Umbruch“ und wurde in Baden-Württemberg bereits verboten. Damit langfristig genug Lebensraum für Feldvögel bestehen bleibt, müsste dieses Verbot aber auch in den anderen Ländern gelten.
Welche Arten sind betroffen?
Alle Vögel, die von Feldern und Grünland abhängig sind, leiden auch unter der umweltfeindlichen Bewirtschaftung. Zu den ungefähr zwanzig Arten, die sich zur Brut und Nahrungssuche auf solchen Flächen aufhalten, gehören zum Beispiel Wachtel und Rebhuhn. Bei beiden Arten bekommen die Küken auf mit Pestiziden behandelten Feldern nicht genug Futter. Sie leiden an Unterernährung oder müssen sogar verhungern. Gerade Wachteln sind auf ökologisch behandelten Feldern viel häufiger zu sehen. Kiebitze haben weniger Bruterfolg, weil sie kaum noch feuchtes Grünland vorfinden. Außerdem überschneidet sich das Walzen und Mähen vielerorts mit ihrer Brutzeit, so dass viele Eier einfach vernichtet werden.
Auch Greifvögel und Eulen wie Rotmilan, Wiesenweihe und Steinkauz sind betroffen. Die Mais- und Rapsfelder wachsen für sie zu dicht, so dass sie keine Mäuse oder andere Kleintiere erspähen können. Viele kollidieren außerdem mit Windkraftanlagen, die oft auch in wichtigen Brutgebieten stehen. Bei den Singvögeln stehen vor allem Arten wie Neuntöter, Feld– und Heidelerche, Ortolan, Braunkehlchen, Wiesenpiper, Bluthänfling und Grauammer unter Druck. Sie finden in den monotonen Landschaften weder Nahrung noch Brutplätze oder Sitzwarten.
Schließlich sind auch Wiesenvögel wie Wachtelkönig, Kampfläufer, Bekassine, Großer Brachvogel, Uferschnepfe und Rotschenkel schon zu Seltenheiten geworden. Sie fühlen sich auf möglichst feuchten Wiesen wohl, die den Landwirten allerdings nichts nützen. Deshalb legen sie solche Flächen trocken und nutzen sie, um besonders leistungsstarkes Gras anzubauen. Solche Sorten wachsen viel schneller als herkömmliches Gras, so dass Mahd und Viehauftrieb früher möglich sind – und auch die letzten Eier und Küken überrollt oder zertrampelt werden.
Vögel der Agrarlandschaft schützen!
Unsere Vorstellung vom Leben auf dem Land hinkt der Realität heute oft hinterher. Fröhlich klappernde Störche und geschäftig umherfliegende Feldvögel wird es bald nicht mehr geben, wenn der europäischen Agrarpolitik kein Kurswechsel gelingt. Folgende Maßnahmen wären von extremer Bedeutung für eine Besserung:
- Jeder Betrieb sollte mindestens zehn Prozent seiner Fläche ökologisch bewirtschaften. Dazu gehört der Verzicht auf Pestizide, außerdem müssten Blüh- und Grünstreifen eingerichtet werden, ähnlich wie bei „Bunte Meter für Deutschland“.
- Langfristig müsste die Landwirtschaft vom blinden Konkurrenzkampf abweichen und zurück in den Einklang mit der Natur finden. Regionen wie das brandenburgische Brodowin machen es vor.
- Der Umbruch von Grünland muss verboten und das noch bestehende Grünland streng geschützt werden.
- Wiesenvögel würden von der Wiedervernässung ehemaliger Feuchtwiesen und deren Schutz profitieren, gerade in der Nähe von Gewässern und Mooren.
- Mais- und Rapsflächen müssten aufgelockerten, kleineren Anbaugebieten weichen, auf denen verschiedene Feldfrüchte im Wechsel angebaut werden