Die Vögel der Nacht müssen sich weder furchtsam verstecken, noch mit einer Taschenlampe zwischen die Bäume leuchten. Waldkauz und Co. sind meisterhafte Jäger, die ihr wahres Leben erst im Schutz der Dunkelheit führen können. Dabei hilft ihnen die „innere Uhr“ ihrer Vorfahren.
Hand auf’s Herz: Wir Menschen sind für das Leben in der freien Natur nicht (mehr) gemacht, vor allem nicht, wenn die Sonne untergeht. Wer schon einmal bei einer Nachtwanderung durch den Wald dabei war, weiß, wie schnell einem dort mulmig werden kann. Unsere Augen sehen praktisch nichts, unheimliche Geräusche dringen zwischen den Bäumen hervor, der ganze Wald scheint zum Leben zu erwachen. Wenn dann noch ein Waldkauz seine schaurigen Rufe ertönen lässt, dürfte fast jedem ein Schauer über den Rücken laufen.
Waldkauz: Jäger der Nacht
Doch gerade für den Waldkauz und seine Artgenossen ist die Nacht kein Zustand der Furcht. Der Vogel des Jahres 2017 sehnt die Dunkelheit vielmehr herbei, denn erst unter ihrem Schutz ist er ganz in seinem Element. Etwa zwanzig Minuten nach Sonnenuntergang schütteln Waldkäuze in ihren alten Baumhöhlen ein letztes Mal ihr Gefieder, dann geht es hinaus in die Nacht. Mäuse, Ratten, Maulwürfe, kleine Kaninchen, Frösche, Käfer, Regenwürmer – Waldkäuze sind nicht besonders wählerisch, obwohl sie großartige Jagdfähigkeiten besitzen. Lautlos gleiten sie auf ihre Beute herab und ergreifen sie mit den kräftigen Krallen.
Eine interessante Frage stellt sich jedoch nach wie vor. In unseren Breitengraden ist kein Tag genau so lang wie der andere, das Verhältnis von Licht und Dunkelheit ist stets feinen Unterschieden unterworfen. So kommt es zu den geschmeidigen Übergängen zwischen den Jahreszeiten, einem niemals endenden Rhythmus. Und doch weiß der Waldkauz immer ganz genau, wann die Zeit zum Aufbruch gekommen ist.
Der Rhythmus der Zeit
In der Natur gibt es zahlreiche, immer wiederkehrende Abläufe, die von uns Menschen oft gar nicht bemerkt werden. Uns interessieren meist vor allem zwei Systeme: der Tag-Nacht-Rhythmus und der Jahresrhythmus. Sie bestimmen unsere Kalender und die Jahreszeiten, sie sorgen dafür, dass wir abwechselnd müde und aktiv sind. Natürlich sind hier noch viele weitere Faktoren wichtig, aber Licht hat einen großen Einfluss auf unser Leben und Wohlbefinden.
Genau so ist es bei den Vögeln. Jede Art hat ihren ganz eigenen biologischen Rhythmus, der wissenschaftliche Begriff dafür ist „artspezifische Periodik“. Diese „innere Uhr“ ist in den Erbanlagen der Art festgelegt. Sie sorgt dafür, dass der Waldkauz pünktlich erwacht, regt ihn aber beispielsweise auch zur Fortpflanzung an. Tages- und Jahresrhythmus unterliegen auf diese Weise immer der „inneren Uhr“ und werden von äußeren Faktoren wie Licht und Temperatur (so genannten Zeitgebern) unterstützt und synchronisiert.
- Auch die Singvögel, die mit ihrem Zwitschern den Tag willkommen heißen, werden durch ihre innere Uhr aktiv. Beim NABU könnt ihr auf einer tollen interaktiven Uhr sehen, welcher Vogel wann zu singen beginnt und wie das klingt.
Foto Waldkauz: Frank Vassen (Lizenz CC BY 2.0)