Mornellregenpfeifer – zutraulicher Skandinave
Name |
Mornellregenpfeifer (Charadrius morinellus) |
Größe | 20-24 cm |
Verbreitung | Skandinavien, Arktis |
Lebensraum | Tundra, steinige Gebiete oberhalb der Baumgrenze |
Brutdauer |
24-28 Tage |
Nahrung |
Insekten, Spinnen, Schnecken, Würmer, selten Sämereien und Beeren |
Stellt euch vor, ihr seid auf einer langen Wanderung in den Regionen Skandinaviens, wo die Landschaft jenseits der Baumgrenze karg und die Aussichten atemberaubend sind. Bis auf die eigene Atmung und schweren Schritte ist nichts zu hören und dann… hört ihr ein weiches „pjürr“. Über euch fliegt etwas! Erfahrt in diesem Artikel mehr über den Mornellregenpfeifer und seine besondere Lebensweise.
Aussehen
Obwohl Mornellregenpfeifer mit ihrer grauen Oberseite und Brust eher unscheinbar wirken, verleiht ihnen die rostrote Unterseite ein edles Aussehen. Dabei verschmelzen sie perfekt mit ihrer Umgebung, weshalb sie kaum bemerkt werden. Männchen und Weibchen schmücken einen weißen Überaugenstreif, der im Nacken zusammenläuft und so ein ‘v’ bildet. Dieser Kopfschmuck lässt die „kleinen Narren”, wie sie im Lateinischen genannt werden, fast schon vornehm wirken.
Bei Mornellregenpfeifern sind die Weibchen geschmückter als die Männchen. Die Weibchen haben daher noch einen abgegrenzten schwarzen Bauch, während die Gefiederfarben der Männchen mehr zusammenlaufen und ihnen ein braungraues Aussehen verschaffen.
Vorkommen
Mornellregenpfeifer sind Liebhaber des Nordens. Am liebsten sind sie weit oben, sogar über den Baumgrenzen Nordeuropas. Dort fühlen sie sich in den steinigen Gebieten Skandinaviens und der kargen Schönheit der arktischen Tundra wohl. Ihr Gefieder hat sich den grauen Steinen und spärlich bewachsenen Felsen gut angepasst, was die Bodenbrüter perfekt tarnt.
Während der Wintermonate fliegen sie bis nach Nordafrika und Vorderasien, wo sie die kalte Jahreszeit verbringen. Während des Vogelzugs lassen sich die Mornellregenpfeifer auch hier zu Lande in den Monaten Mai und August/September beobachten. Ihrem Lebensraum bleiben sie allerdings treu. Deswegen suchen sie sich gern tundra-ähnliche Gebiete, wie Bergkuppen oder brachliegende Felder. Wer Glück und scharfe Augen hat, kann Mornellregenpfeifer auch auf Äckern, im Heideland oder an der Küste sehen.
Wegen diesen speziellen Anforderungen sind Mornellregenpfeifer relativ selten in Deutschland zu sichten. Ihr Bestand gilt als „stark gefährdet”, ist jedoch stabil.
Verhalten und Wissenswertes
Im Gegensatz zu vielen anderen Vogelarten zeigen Mornellregenpfeifer eine umgekehrte Rollenverteilung. Das trifft nicht nur auf das schöne Federkleid der Weibchen zu. Während die Weibchen balzen, übernehmen die Männchen die Brut vollkommen allein.
Ein weiteres eher ungewöhnliches Merkmal in der Vogelwelt ist, dass sich die weiblichen Mornellregenpfeifer während einer Saison mit mehreren Männchen paaren können. Das Weibchen legt dann 2-4 Eier in ein Gelege und gegebenenfalls auch in Zweitgelege mit anderen Partnern. Dieses Verhalten wird auch als sukzessive Polyandrie bezeichnet und kommt bei Vögeln beispielsweise noch bei der Heckenbraunelle, dem Ceylonhuhn und dem Reisstärling vor.
Außerhalb der Brutzeit sind die kleinen Sonderlinge gesellige und wenig territoriale Tiere. Auch vor Menschen zeigen sie wenig Scheu. Dieses Verhalten hat dem Mornellregenpfeifer wahrscheinlich den Spitznamen „kleiner Narr” eingebracht. Bei Gefahr bauen sie übrigens auf das Mitleid des Gegenübers. Sie stellen sich zum Beispiel verletzt oder sogar sterbend. Dann zittern ihre Flügel, als wären sie dem Tode nahe. Ist die Gefahr vorüber, genesen Mornellregenpfeifer wunderlich schnell.
Titelfoto von Rickard Holgersson auf Flickr