Vögel sind die besseren Dinosaurier, findet der amerikanische Autor Jonathan Franzen. Und das spiegelt sich auch in seinem Werk wieder. Wie Literatur und Vogelbeobachtung zusammenfinden.
Zur Person: Jonathan Franzen
Der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen wurde 1959 in der Nähe von Chicago geboren. Bisher hat er vier Romane und mehrere Essay-Sammlungen veröffentlicht. Am erfolgreichsten bei Kritikern und Leserschaft war er mit den Romanen Die Korrekturen (2001) und Freiheit (2010). Mit ersterem erreichte Franzen sogar die Finalistenrunde des Pulitzer-Preises. Einer der Themenschwerpunkte in Franzens Romanen sind dysfunktionale Familien, aber auch aktuelle Konflikte wie Globalisierung, Umweltschutz und die politische und wirtschaftliche Ausrichtung der USA spielen eine Rolle.
Franzen, der Vogelbeobachter
Zur Vogelbeobachtung (engl.: birding) verführt hat ihn ein Freund, der ihn einst zu einer morgendlichen Entdeckungstour in den New Yorker Central Park mitnahm. Seitdem verbindet Jonathan Franzen oft Lesereisen mit Ausflügen zu Vogelbeobachtungs-Hotspots. Auch in Berlin hat Franzen schon Entdeckungstouren gemacht. Er spricht sogar fließend Deutsch, denn Franzen studierte über ein Fulbright Stipendium an der Freien Universität Berlin. Weltweit hat der Autor bisher etwa 1500 Arten mit dem Fernglas „gesammelt“, 297 davon in Europa.
Seine Leidenschaft zur Vogelbeobachtung ist für Franzen fast wie eine Religion: Manchmal verbringt er bis zu 14 Stunden an demselben Beobachtungsposten. Auch Ähnlichkeiten zwischen der Schriftstellerei und der Vogelbeobachtung hat er schon festgestellt. Beides erfordet sehr viel Geduld und das Abwarten auf den richtigen Moment. Außerdem seien Vögel und Schriftsteller auf gewisse Art verwandt: Beide seien Außenseiter und auf der Suche nach einer Überlebensnische in ihrer Umgebung. Am meisten verbunden fühlt er sich mit der Rohrdommel. Bei einem Vortrag im Berliner Naturkundemuseum nennt er die kleinen Reiher seine „Nonkonformisten-Freunde“.
Bei Jonathan Franzen beschränkt sich seine Liebe zur Vogelbeobachtung nicht auf seine Freizeit, sondern betrifft auch auf seine schriftstellerische Tätigkeit. In seinen Memoiren Die Unruhezone etwa wird der Leser beinahe von dem letzten Kapitel mit dem Titel „Mein Vogelproblem“ überrumpelt. Auch in seiner Fiktion taucht die Vogelbeobachtung immer wieder auf. Nicht jeder weiß das zu schätzen. Das Magazin Slate nennt ihn gar den „nervigsten Vogelbeobachter der Welt“.
Birding in Freiheit
Birding spielt in Franzens jüngstem Roman, Freiheit, eine herausragende Rolle. Schon auf dem Cover von Freiheit sehen wir einen Vogel, auf dem deutschen Cover ist es ein Ei. Der Vogel des amerikanischen Covers ist der Pappelwaldsänger, der Lieblingsvogel von Walter Berglund, einem der Hauptcharaktere des Romans. Zum Schutz von unter anderem diesem Vogel versucht Berglund im Laufe der Handlung einem Kohleunternehmen ein Grundstück abkaufen, das dann zum Naturschutzgebiet umfunktioniert werden soll. Berglund, ein fanatischer Naturschützer, macht sich weiterhin nicht zuletzt bei den Katzenhaltern seiner Nachbarschaft unbeliebt, als er ihnen von den singvogel-metzelnden Vorlieben ihrer Haustiere erzählt.
Trotzdem ist die Belehrung zum Thema Vogelschutz nicht das Hauptanliegen von Freiheit, sondern – wenn überhaupt – ein angenehmer Nebeneffekt, so Franzen. Wenn Franzen uns tatsächlich belehren will, dann tut er dies in seiner Rolle als Journalist, zum Beispiel mit kritischen Artikeln für National Geographic oder den New Yorker. In Freiheit hingegen werden am Ende versöhnlichere Töne angeschlagen und sogar für Katzen und Vögel gibt es Einigung. Welche, das erfahrt ihr auf unterhaltsame Art in dem Roman selbst.
Weitere berühmte Vogelbeobachter von Fidel Castro bis Mick Jagger findet ihr hier: https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_notable_birdwatchers.
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